Heimliche Änderung des SEM bei der Aufnahmepraxis mit unabsehbaren Folgen

Dringliche Interpellation der Kantonsratsfraktion

Seit Monaten ist die Schweiz mit stark steigenden Migrationszahlen konfrontiert. Der Sprecher des Staatssekretariats für Migration bestätigte vergangene Woche auf Anfrage, dass das SEM in diesem Zusammenhang die Aufnahmepraxis für Afghaninnen geändert habe. Die Praxisänderung trat bereits auf den 17. Juli 2023 in Kraft.

Seit der Machtübernahme der Taliban werden fundamentale Menschenrechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan zunehmend eingeschränkt. Ihnen sei daher grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihnen soll eine B-Bewilligung zugesprochen werden. Diese Praxisänderung wurde seitens Staatsekretariat für Migration im Alleingang entschieden, ohne Einbezug der zuständigen Parlamentskommissionen und ohne vorgängige Konsultation der Kantone oder Gemeinden, die die Auswirkungen tragen.

Selbstverständlich sollen jene Personen geschützt werden, die Schutz verdienen. Nichtsdestotrotz muss die geltende Gesetzgebung konsequent vollzogen werden, damit das Asylsystem nicht an Akzeptanz einbüsst. Mit der neuen Praxis riskiert das SEM einen Pull-Effekt und die Schweiz würde zum bevorzugten Zielland in Europa.

Wenn nur noch das Geschlecht und die Herkunft für einen positiven Asylbescheid relevant sind, wird auch Afghaninnen aus sicheren Drittstaaten (bspw. Türkei oder EU-Staaten) grundsätzlich Asyl gewährt. Diese irreguläre Sekundärmigration birgt hohes Missbrauchspotential und belastet unser Asylsystem. Wenn der sofortige Nachzug der Kernfamilie zudem erlaubt wird, droht das Risiko eines zunehmenden Kontrollverlusts über die Einwanderung ins Asylsystem und das Missbrauchspotenzial erhöht sich. Die langfristige Wahrung der humanitären Tradition der Schweiz wird mit dieser Praxisänderung fahrlässig aufs Spiel gesetzt. Davon betroffen sind insbesondere auch die Kantone und Gemeinden.

Wir bitten die Regierung vor diesem Hintergrund um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Welche Änderungen in der Aufnahmepraxis wurden an die Kantone und Gemeinden kommuniziert und werden nun umgesetzt?
  2. Wie versucht die St.Galler Regierung beim Bund Druck zu machen, damit solche Praxisänderungen künftig nicht im Alleingang der Verwaltung beschlossen werden? Welche Möglichkeiten der Einflussnahme sieht die St.Galler Regierung?
  3. Welche Folgen sind aufgrund der angepassten Aufnahmepraxis für den Kanton St.Gallen und die Gemeinden absehbar?
  4. Wie reagiert(e) die St.Galler Regierung auf den Entscheid aus Bundesbern?»
Christian Lippuner
Ramon Weber