Rückblick auf zwei Jahre Pandemie

Aufatmen – ab Freitag fallen die Masken und mit ihnen die letzten nationalen Schutzmassnahmen. Seit Februar 2020 war die Schweiz mit der Bewältigung der Pandemie beschäftigt. Rund zwei Jahre später kehren wir zurück ins «normale» Leben. Ein Rückblick aus Sicht der FDP über eine der belastendste Krisen der letzten Jahrzehnte zeigt auf, dass noch viel Verbesserungspotenzial besteht.

Endlich haben wir unsere Freiheit zurück. Dieser freudige Tag, speziell für alle Freisinnigen in diesem Land, ist auch ein geeigneter Zeitpunkt, um einen Blick zurück zu werfen und eine erste, kurze Analyse über eine der belastendste Krisen der letzten Jahrzehnte durchzuführen.

Die Bewältigung der Covid-Pandemie war für kein Land einfach. Selten war die Welt mit einem Virus konfrontiert, das sich so schnell global verbreitete und so viele Menschen infizierte und leider auch tötete. Das ist sehr schmerzhaft und brachte vielen Menschen in der Schweiz sowie weltweit Trauer und Leid. Vor allem in den Anfängen hat diese Pandemie in der Bevölkerung viel Angst ausgelöst. Unter diesen schwierigen Umständen kann man dem Bundesrat zum jetzigen Zeitpunkt grundsätzlich ein positives Zeugnis ausstellen. Er reagierte zwar rasch auf das erhöhte Informationsbedürfnis der Bevölkerung, konnte jedoch während der gesamten Pandemie die Dynamik des Corona-Virus nicht richtig einschätzen und auch sonst sind diverse Mängel im Krisenmanagement aufgedeckt worden.

In erster Linie muss die Arbeit der Behörden und des Gesundheitspersonals sowie weiterer Akteure gewürdigt werden, die in den letzten zwei Jahren zum Einsatz kamen. Ihr Engagement und ihre Entschlossenheit haben es ermöglicht, dass die Schweiz die Krise mit wenig Schaden überstand. Im internationalen Vergleich schneidet der Umgang der Schweiz mit der Pandemie gut ab, was durchaus hervorgehoben werden darf.

Nichtsdestotrotz war längst nicht alles perfekt. Es gab unbestritten Fehler, was in einer Ausnahmesituation kaum verwundert. Nun ist es wichtig, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen. Die FDP hatte bereits früh entsprechende Forderungen gestellt, damit Bundesrat und BAG im kommenden Herbst nicht wieder dieselben Fehler begehen und am Ende Wirtschaft, Gesellschaft und Gesundheit darunter leiden. Folgende Punkte können aus der ersten Analyse der letzten zwei Jahre herauskristallisiert werden:

  • Impfstrategie: Eine vorausschauende Impfstrategie, wie von der FDP gefordert, existierte leider nicht. Sie hätte das Ziel, eine mögliche neue Pandemie schnell und effizient zu bekämpfen. Vor allem in der ersten Phase der Corona-Pandemie hat die Schweiz wertvolle Zeit aufgrund verzögerter Bestellungen & Lieferungen von Impfstoffen verloren. Zudem wurde die Informations- & Aufklärungskampagne zu zögerlich lanciert, was wohl mit ein Grund für die tiefe Impfquote in der Schweiz war. Das darf bei einer möglichen neuen Welle oder anderen Pandemie nicht mehr passieren. Besorgniserregend war zudem das Misstrauen von Teilen der Bevölkerung gegenüber der modernen Medizin und der Wissenschaft. Hierbei muss die Politik auch über die Bücher.
     
  • Gesundheitswesen: Es fehlte zu Beginn der Pandemie an der übergreifenden Koordination im Gesundheitswesen und der Sicherstellung einer flexiblen ausreichenden Anzahl Spitalbetten und genügend ausgebildetem Personal, um bei einem starken Anstieg von Covid-Patientinnen und Patienten rasch handeln zu können. Erst nach über einem Jahr besserte die Lage diesbezüglich. Trotzdem wird es auch in Zukunft notwendig sein, die Kapazitäten rascher und bedürfnisgerechter hochzufahren, falls eine vergleichbare Situation eintrifft. Das muss zwingend an die Hand genommen werden.
     
  • Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen: Die Zusammenarbeit mit und zwischen den Kantonen schien vor allem zu Beginn der Pandemie zu hapern. Entscheide wurden verschleppt, Abläufe und Zuständigkeiten schienen unklar. Künftig müssen Informations- und Konsultationsprozesse besser festgelegt werden. Dass nun eine Übergangsphase geplant ist bis Frühling 2023, ist zu begrüssen. Die Strukturen bleiben so auf «Stand-by» und könnten sofort wieder ihren Betrieb hochfahren, falls die Corona-Situation sich verschlechtern würde. 
     
  • Krisenmanagement: Das Krisenmanagement schien nach einem Jekami-Modus zu funktionieren. Bestes Beispiel dafür war die mangelhafte Beschaffung von Masken oder die widersprüchlichen Informationen aus den Kantonen. Darum braucht es dringend die Einrichtung eines soliden Krisenmanagements inklusive eines Bundeskrisenstabs, statt eines Hin und Her zwischen verschiedenen Bundesstellen einerseits sowie Bund und Kantonen andererseits. Auch die Lagerhaltung notwendiger Produkte muss besser gewährleistet werden.
     
  • Kommunikation: Der Bund hat die Bedeutung der Kommunikation in einer solch grossen Krise erkannt und alles unternommen, um so transparent wie möglich zu kommunizieren. Ziel war es, Verwirrung in der Bevölkerung zu vermeiden, was nur teilweise erreicht wurde. Grund dafür, war u.a. die die wissenschaftliche Taskforce, deren Funktion und Zusammensetzung zu überdenken ist. Anstatt mit einer Stimme zu sprechen, führten die verschiedensten Auskünfte der Taskforce, der Vertreter der Verwaltung und des Bundesrates zu Verwirrung. Die Kanalisierung der Informationen muss aus Sicht der FDP optimiert werden.
     
  • Digitalisierung: Die Erstellung einer einheitlichen, nationalen Datenbasis über die Verbreitung des Corona-Virus hat zu Beginn der Krise überhaupt nicht funktioniert und hat deutliche Mängel in der Digitalisierung offengelegt. Die Digitalisierung der Verwaltung muss zwingend beschleunigt werden, um künftige Pandemien besser bewältigen zu können. Dies betrifft insbesondere die interne Organisation, die Logistik, die Kommunikation und das Contact-Tracing.
     
  • Monitoring: Die vorübergehende Deaktivierung der SwissCovid App begrüssen wir. Denn soweit dies nachvollziehbar ist, war hat die App nur beschränkt funktioniert. Eine erneute Aktivierung müsste mit Verbesserungen einhergehen.

Das EDI und das BAG haben nun bis zum Spätsommer Zeit, die Lücken im Krisenmanagement zu beheben und dafür zu sorgen, dass sich die Fehler, die in den letzten zwei Jahren insbesondere im Bereich der Organisation und Kommunikation gemacht wurden, nicht wiederholen. Zudem muss daran erinnert werden, dass die beschlossene Aufhebung der Corona-Einschränkungen die Bevölkerung jedoch nicht davor entbindet, weiterhin Eigenverantwortung zu übernehmen und sich und andere durch die Einhaltung der Hygienevorschriften zu schützen. Das Virus wird uns nicht mehr verlassen und wir müssen lernen, bestmöglich damit umzugehen. Aus Sicht der FDP steht der Gesamtbundesrat nun in der Verantwortung, seine Lehren aus der Zeit der Corona-Krise zu ziehen, damit die Schweiz nicht unvorbereitet in die nächste Pandemie rasselt.

Die FDP dankt dem Bundesrat und den Behörden für ihr Engagement in der Krise und freut sich, dass die Institutionen ihren Wert in diesen turbulenten Zeiten unter Beweis gestellt haben – diese Stärke gilt es auch für die Zukunft zu bewahren.

Philippe Nantermod, Parteivizepräsident und Nationalrat VS

Philippe Nantermod