Ist unser Boot voll?

 

geschrieben von Philipp Müller, Nationalrat AG

Für die Einen ist es übervoll. Für die anderen hat es grenzenlos Platz in der Schweiz. Für wiederum Dritte darf die Frage nach den Grenzen des Bevölkerungswachstums nicht einmal gestellt werden, weil man sofort befürchtet, in die Nähe von Fremdenfeindlichkeit und Isolationismus gestellt zu werden.

 

 

 

Das ist falsch! Diese Frage muss sich ein kleines, offenes und demokratisches Land stellen. Denn Einwanderung verunsichert, fordert heraus und schafft nebst Vorteilen auch Verlierer. Wer die Probleme totschweigt, verursacht Fremdenfeindlichkeit. Die Frage ist für die Schweiz nicht neu. Faktisch sind wir ein Einwanderungsland, obwohl wir es nie sein wollten. Obwohl wir es angesichts der räumlichen Enge auch gar nie sein können. Bisher beantworteten wir aber diese Frage weitgehend richtig: Kein anderes Land integriert Eingewanderte so gut wie die kleine Schweiz. Hier ist die Tellerwäscherkarriere möglich. Hier arbeiten sich die Kinder ausländischer Arbeiter zu wichtigen Führungspositionen hinauf. Auf unsere Integrationskraft sind wir stolz.

 

Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass wir bisher viele Fehler gemacht haben. Davon zeugt ein überdurchschnittlich hoher Anteil von ausländischen Tätern bei Kriminaldelikten. Um dies zu ändern, brauchen wir eine konsequentere Sanktionierung, einen besseren Strafvollzug und die konsequentere Durchsetzung unserer Gesetze.

 

Die Frage muss daher heute erneut gestellt werden. Bilaterale Verträge, hochqualifizierte Mitarbeiter und Familiennachzug aus Drittstaaten sowie mehr Asylsuchende haben eine Einwanderungswelle ausgelöst. Gleichzeitig fördern steigendes Raum- und Mobilitätsbedürfnis der Einheimischen Wohnungsnot, Zersiedelung und Engpässe in Zügen und auf Strassen. In der immer städtischeren Schweiz nimmt die soziale Kontrolle und damit auch die Bürgersicherheit ab. Die Qualität der Schulen macht Sorge. Mehr Jugendliche landen in der Sozialhilfe, an der Nadel, in der Gosse oder im Gefängnis. Traditionelle Parallelgesellschaften verhindern – insbesondere bei Mädchen – das selbstbestimmte Nutzen ihrer Möglichkeiten.

 

Nötig ist somit nicht nur eine intelligente Einwanderungspolitik, denn sie beantwortet nur die Frage: Wer darf kommen? Nötig sind auch Regeln für unser Zusammenleben, denn sie beantworten die Frage: Wer darf bleiben? Nötig sind zudem Antworten für die Sorgen der Bürger in Bereichen wie Bürgersicherheit, Infrastruktur, Wohnungsknappheit, Landschaftsschutz und Schule. Sie beantworten die Frage: Wie gestalten wir unsere Heimat? Antworten sind dringend, denn auf dem Spiel steht der nationale Zusammenhalt.

 

Eine neue Einwanderungspolitik muss aber aus früheren Fehlern lernen. Diese sind bekannt: Früher wurden alle Ausländer über den gleichen Leisten geschlagen. Die Anforderungen lagen für alle gleich hoch. Ob sich jemand für unser Land engagiert und integriert, war egal. Wie üblich bei Einwanderungsproblemen, wollen nun die Einen die Anforderungen für alle senken, die Anderen wollen sie für alle erhöhen.

 

Gefordert wäre aber eine Migrationspolitik im Interesse der Schweiz. Wer zum Erfolg, Wohlstand und Zusammenhalt unseres Landes beiträgt, ist willkommen. Wer sich nicht an Gesetze und Regeln hält, verdient kein Gastrecht. Damit wird aus vergangenen Fehlern gelernt. Denn ob das Boot voll ist, hängt nicht nur von der Zahl der Einwohner ab. Genau so wichtig ist, dass alle zusammen und in die gleiche Richtung rudern, damit niemand das Boot leck schlägt.

 

Notwendig ist somit eine wohldurchdachte Migrationspolitik. Handlungsbedarf ist gegeben. Daher hat die FDP ein Positionspapier entworfen, das die Delegiertenversammlung am 12. Februar 2011 verabschiedet hat. Parallel dazu werden entsprechende Vorstösse im Parlament eingereicht. Für eine pragmatische, an den Interessen der Schweiz ausgerichtete neue Migrationspolitik werden sich auch Mehrheiten finden. Die Schweiz ist unsere Heimat. Wir haben diese Heimat geschaffen. Ihr tragen wir Sorge. Das verlangt nach harten, aber fairen Regeln. Deren Einhaltung verlangen wir von Allen:

Schweizern und Ausländern – im Interesse unseres Landes!