„1 : 12“ - kommunistisch, ungerecht, schönfärberisch und destruktiv

 

geschrieben von Gabi Huber, Nationalrätin UR

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Mit der Volksinitiative „1:12" soll ein staatliches Lohndiktat eingeführt und damit gleichzeitig das erfolgreiche über 100 Jahre alte System der Sozialpartnerschaft begraben werden. Beamte müssten künftig sicherstellen, dass in keinem Unternehmen der höchste Lohn mehr als zwölfmal so hoch ist wie der niedrigste. Dass die Jungsozialisten diese Initiative ergriffen haben und sie von ihrer Mutterpartei unterstützt wird, ist allerdings nicht mehr als konsequent. Denn schliesslich enthält das Programm dieser Partei neben Forderungen wie EU-Beitritt, Armeeabschaffung und „Steuerwende" eben auch die Forderung nach einem „erwerbslosen Grundeinkommen" und erklärt die Überwindung des Kapitalismus zum Ziel.

 

 

 

Mit der 1:12-Inititiative und allen weiteren, die da noch folgen, soll dieses Parteiprogramm umgesetzt werden. Es geht also eigentlich um den Umbau unseres ganzen Wirtschaftssystems und damit um einen Totalangriff auf das Erfolgsmodell Schweiz mit seiner tiefen Arbeitslosenquote, wenig Schulden und hoher Wettbewerbsfähigkeit.

 

Die Reichen würden immer reicher, die Lohnpolitik sei missbräuchlich, und deshalb müssten jetzt „gerechte" Löhne geschaffen werden, meinen die Initianten. In Wirklichkeit aber ist nichts ungerechter als ein staatliches Lohndiktat. Denn in unserem Wertesystem muss sich Leistung lohnen. Jedem das Seine bedeutet nicht jedem das Gleiche. Gerechtigkeit kann man schon gar nicht per Gesetz verordnen, ansonsten wir ja Frieden auf der ganzen Erde hätten. Genauso wenig lässt sich Anstand verordnen. Ungerecht wäre es auch, wegen einer Handvoll unersättlicher Manager sämtlichen Unternehmen ein Korsett überzustülpen. Denn diese Initiative würde nicht nur für die börsenkotierten Firmen gelten, sondern für restlos alle. Laut Faktenblatt der Initianten fallen darunter „nicht nur private und öffentliche Unternehmen, sondern auch Vereine und Stiftungen ohne Gewinnziele".

 

Das Bild der klaffenden Lohnschere verdreht die Fakten. In Wirklichkeit leben wir in der Schweiz in einer der egalitärsten Gesellschaften der Welt. In keinem anderen OECD-Land sind die Vollzeitlöhne so gleichmässig verteilt, sogar günstiger als in den diesbezüglich stets als vorbildlich erwähnten skandinavischen Ländern. Dem Mittelstand ging es noch nie so gut, die Armutsquote ist rückläufig. Und: Niemand verliert, weil andere gewinnen! Es war, ist und wird nie ein Naturgesetz sein, dass es vielen schlecht geht, weil es anderen sehr gut geht. Alt SP-Bundesrat Tschudi brachte es bezüglich unserer Altersversicherung auf den Punkt: Die Reichen brauchen die AHV nicht, aber die AHV braucht die Reichen. Und das ist bis heute so, denn 20 Prozent der höchsten Einkommen bezahlen 70% aller AHV-Beiträge. Ähnlich sieht es bei den Steuern aus, wo die 10 Prozent mit den höchsten Einkommen rund 75 Prozent aller direkten Bundessteuern bezahlen.

 

Schönfärberisch ist die Annahme der Initianten, eine Begrenzung der Löhne des Top-Kaders könnte zur Anhebung der niedrigsten Löhne beitragen und es werde keinen Druck auf das Lohngefüge geben. Denn im Lohngefüge eines Unternehmens spiegeln sich immer auch unterschiedliche Verantwortungen, Ausbildungen und Erfahrungen. Verdient der Chef plötzlich massiv weniger, hat dies auch Auswirkungen auf die Angestellten. Swisscom hat durchgerechnet, welche Folgen 1:12 in ihrem Unternehmen haben würde. Das Resultat: 5000 Löhne müssten bei einem Ja angepasst werden.

 

Vordergründig geht es am 24. November um die Frage, ob in Zukunft der Staat oder der Eigentümer einer Unternehmung über den Lohn entscheidet. Hintergründig geht es aber eben um den Umbau des ganzen Wertesystems, welches die Schweiz stark und wohlhabend gemacht hat. Wer jetzt aus dem Bauch heraus ein paar Wenige abstrafen will, wird sich am Ende selbst bestrafen. Und dies noch zum Schluss: Das Urheberrecht für die staatliche Lohnpolizei haben ausgerechnet Chinas Kommunisten. 2002 hat die dortige Parteileitung nämlich 1:12 für Staatsbetriebe eingeführt, die Formel dann aber schrittweise gelockert, weil sie sogar ihr zu weit ging!

 

Erschienen im Urner Wochenblatt vom 6. November 2013 und in der Neuen Urner Zeitung vom 5. November 2013