Leben retten dank der Widerspruchslösung

In der Schweiz gibt es noch immer wenig Organspender, was für alle, die eine Transplantation benötigen, ein Problem darstellt. Eine Änderung des Transplantationsgesetzes von einem Zustimmungslösung- zu einem Widerspruchslösung-System würde eine deutliche Erhöhung der Spenderzahl ermöglichen. Die Freiheit wäre weiterhin gewährleistet, zu Lebzeiten die Entnahme seiner Organe zu verbieten.

In der Schweiz dürfen einem Verstorbenen ohne seine vorherige ausdrückliche Zustimmung keine Organe, kein Gewebe oder Zellen entnommen werden. Das heisst, der betreffende Mensch muss zu Lebzeiten sein Einverständnis gegeben haben. Liegt keine Einverständniserklärung vor, werden zum Zeitpunkt des Todes die Angehörigen hinzugezogen. Sie müssen dann in einer bereits emotionalen Situation noch über das Schicksal der Organe entscheiden. Sehr oft, mit Zweifeln über den Willen des Verstorbenen konfrontiert, verweigern die Verwandten oft deren Entfernung.

Das ist ein echtes Problem, denn viele Menschen bräuchten Transplantate und müssen manchmal viele Monate warten. Es kommt sogar vor, dass einige von ihnen aus Mangel an einem verfügbaren Organ sterben. Tatsächlich wagen nur sehr wenige Menschen den Schritt, ihre Zustimmung zu erklären, während laut einer repräsentativen Umfrage eine sehr grosse Mehrheit der Bevölkerung eine Organspende befürworten würde (mehr als 80%!). Zudem ist laut Swisstransplant im Jahr 2020 die Zahl der Organspender sogar gesunken, die Zahl der Transplantationen ebenfalls.

Um die Zahl der Spendewilligen zu erhöhen und damit mehr Leben zu retten, wurde 2019 eine  eidgenössische Volksinitiative eingereicht. Sie schlägt vor, die geltende Zustimmungslösung auf die Widerspruchslösung im engeren Sinne umzukehren. Konkret bedeutet dies, dass jeder, der zu Lebzeiten nicht angegeben hat, dass er seine Organe nicht entnommen haben möchte, zum Spender wird. Die Wahlfreiheit bleibt nach wie vor gewahrt.

Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass diese Initiative ein Schritt in die richtige Richtung ist. Dennoch bleibt es unerlässlich , die Angehörigen weiterhin in die Entscheidung einzubeziehen. Aus diesem Grund hat sie einen indirekten Gegenvorschlag eingebracht, der eine Widerspruchslösung im weitesten Sinne vorsieht und eine bessere Einbindung der Angehörigen ermöglicht. Kurzum: Angehörige hätten ein subsidiäres Widerspruchsrecht, das es ihnen erlaubt, sich gegen eine Organentnahme zu wehren, wenn keine Informationen dazu vorliegen  und sie der Meinung sind, dass es dem mutmasslichen Willen ihres verstorbenen Angehörigen entspricht.

Kombiniert mit einer häufigeren Befragung der Bürger, ob sie bereit sind, ihre Organe zu spenden oder nicht, ist dieser Gegenentwurf ein guter Kompromiss. Er würde eine Erhöhung der Spender-Zahl ermöglichen, ohne die Angehörigen der Verstorbenen auszuschliessen. Die vorgeschlagenen Änderungen des Transplantationsgesetzes würden Klarheit schaffen und wären für die Praxis nützlich. Jedes Leben zählt, und es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, den Mangel an Organen zu begrenzen und die Zahl der Spender, d. h. der Transplantationen, zu erhöhen.

 

 

Isabelle Moret