Ein Nein zum CO2-Gesetz ist für freiheitsliebende Menschen keine Option

Es ist paradox: Tausende von Menschen demonstrieren für mehr Klimaschutz und fordern mit hoher Dringlichkeit wirksame Massnahmen. Nun liegen diese Massnahmen auf dem Tisch, gebündelt im neuen CO2-Gesetz. Und was passiert? Die Gegner verbreiten Horrorgeschichten über angebliche Folgekosten und beteuern, dass es gar keine zusätzlichen Massnahmen zum Klimaschutz brauche!

Beide Behauptungen halten einer seriösen Prüfung nicht stand. Insbesondere die SVP zieht das Klima-Engagement unseres Landes mit Vorliebe ins Lächerliche und will den Menschen weismachen, dass die Schweiz alleine das Klima nicht retten könne. Nur: Die Schweiz ist nicht alleine. Sie hat sich zusammen mit fast 200 Nationen dazu verpflichtet, alles zu unternehmen, um eine Erwärmung unserer Erde über 1.5°C zu verhindern. Denn steigt die globale Erderwärmung stärker an, drohen Rückkoppelungseffekte, die zu einem weiteren Temperaturanstieg führen. Selbst dann, wenn wir den CO2-Ausstoss drastisch reduzieren.

Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass Freiwilligkeit und Eigenverantwortung nicht ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen. Gegenüber 1990 haben wir den Treibhausgas-Ausstoss in der Schweiz gerade einmal um 14 Prozent reduziert. Und auch diese Reduktion ist keine Folge von mehr Eigenverantwortung, sondern des heutigen CO2-Gesetzes, das Ende 2021 ausläuft. Wir brauchen deshalb ein neues.

Dass die Gegner im aktuellen Kontext so viel über die angeblichen Kosten des Gesetzes reden, ist erstaunlich. Denn hohe Kosten fallen insbesondere dann an, wenn wir das CO2-Gesetz ablehnen und einfach nichts tun. Das verschweigen die Gegner geflissentlich und frisieren die Kosten des Gesetzes in die Höhe. So geht die SVP davon aus, dass eine durchschnittliche vierköpfige Familie in der Schweiz jedes Jahr einmal nach Übersee fliegt. Wenn es dann aber um die Rückerstattung von Geldern geht, die an Menschen fliessen, die sich umweltbewusst verhalten, dann fliegen die gleichen Schweizerinnen und Schweizer in der Rechnung der SVP auf einmal weniger oft und weniger weit. Das ist ein billiges Buebetrickli.

Die OECD hat seriöser gerechnet und kommt zum Schluss, dass die Kosten einer ungebremsten Klimaerwärmung bis Mitte des Jahrhunderts in der Schweiz bis zu vier Prozent unserer Wirtschaftsleistung betragen. Das sind schwindelerregende Beträge: Letztes Jahr betrug das Bruttoinlandprodukt der Schweiz rund 702 Milliarden Franken. Damit würde der Klimawandel dereinst mit 28 Milliarden Franken oder 3’500 Franken pro Person und Jahr zu Buche schlagen. Die Kosten wären vier Mal höher als mit dem neuen CO2-Gesetz.

Natürlich könnte die Schweiz noch mehr tun, als dies das neue CO2-Gesetz verlangt. Die direkte Demokratie sorgt aber dafür, dass wir bei wichtigen Themen einen «gutschweizerischen Kompromiss» finden. Genau das haben wir getan. Die FDP hat sich nicht mit den Linken verbündet, sondern der Sache zuliebe zu einer Lösung beigetragen. Vielmehr war es die SVP, die in der Gesamtabstimmung zur ersten Fassung des CO2-Gesetz im Parlament ganz plötzlich gemeinsam mit den Grünen Nein gestimmt hat. Nicht die FDP, sondern die SVP hat gemeinsame Sache mit den Linken gemacht! Es ist fahrlässig, wenn deren Vertreter jetzt so tun, als löse sich das Problem des Klimawandels von allein. Denn bei einer Ablehnung in der Volksabstimmung riskieren wir, in einigen Jahren ein CO2-Gesetz serviert zu bekommen, das auf Verboten, Bevormundung und Bestrafung beruht. Wir dürfen den Klimaschutz nicht den linken Parteien überlassen! Vielleicht läuft es aber auch wie bei der Reform der AHV. Wir sind im dritten Jahrzehnt ohne Reform. Wir haben aber keine Zeit mehr, für endlose Reformversuche, die allesamt an der Urne scheitern. Wir brauchen ein neues CO2-Gesetz jetzt sofort.

Schliesslich hat die Schweiz alle nötigen Instrumente für eine erfolgreiche Klima-Zukunft in der Hand. Unser wichtigster Rohstoff ist die Innovation. Aus den Spin-offs unserer weltweit führenden Universitäten sind global erfolgreiche Anbieter von Klimatechnologien entstanden. Unternehmen wie Synhelion, Climeworks, Cleveron und Methanology entwickeln Technologien, die das Potenzial haben, zu einem Hub für die Nachhaltigkeitsindustrie zu werden. Das Unternehmen Synhelion, das synthetische Treibstoffe über Solarenergie produziert, zeigt exemplarisch, wie gross der Kampf um die besten Talente ist: Das Start-up war lange Zeit unentschieden, ob es seine erste Pilotanlage im industriellen Massstab in der Schweiz oder Deutschland bauen sollte. Nun wurde bekannt, dass man sich für Deutschland entschieden hat. Dort sind die Rahmenbedingungen besser. Wäre das neue CO2-Gesetz schon in Kraft, hätten wir deutlich bessere Karten gehabt, ein Unternehmen wie dieses in der Schweiz zu halten.

Der Klimaschutz gehört deshalb in der Prioritätenliste unseres Landes ganz nach oben. Alte Zöpfe müssen weg. So versteht niemand mehr, warum fossile Energien in der Schweiz indirekt subventioniert werden. Kerosin ist im internationalen Flugverkehr steuerbefreit, und die anderen fossilen Treibstoffe enthalten keinen Preis für die negativen Effekte auf den Klimawandel. Diese Schäden müssen die späteren Generationen berappen. Das ist nicht liberal. Denn Liberalismus strebt eine freiheitliche politische, ökonomische und soziale Ordnung an. Zu dieser Freiheit gehört immer auch Verantwortung. Dazu gehört es auch, die Verantwortung für die eigenen Handlungen zulasten der kommenden Generationen zu übernehmen.

Wir können unsere liberale Wirtschaftsordnung nur schützen, wenn wir den Klimawandel bekämpfen, bevor er nicht mehr zu stoppen ist. Reto Knutti, Professor für Klimaphysik an der ETH, hat kürzlich den Satz gesagt: «Mit der Physik lässt sich nicht verhandeln.» Ein Nein zum CO2-Gesetz ist für freiheitsliebende Menschen deshalb keine Option.

 

Damian Müller