Demokratie lohnt sich!

 

geschrieben von Petra Gössi, Nationalrätin SZ

Diese Woche hat der Nationalrat zwar die Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich angenommen, aber mit der Ablehnung des Gesetzes über die Quellenbesteuerung eine nächste Beratungsrunde eingeläutet. Mit der Abstimmung habe ich in Bern das vorläufige Ende einer Entwicklung erlebt, die sehr viel früher eingesetzt hat. Die Einarbeitung in solch grosse Dossiers ist aufwändig. Dennoch hält sich die Begeisterung für diese Abkommen überall in Grenzen.

 

 

 

Sind sie also falsch?

 

Nein, denn bei den Steuerabkommen gilt das Gleiche wie überall: Eine Lösung ist immer nur die beste Option innerhalb eines bestimmten Umfeldes. Die Kräfte, die das „Demokratie-Schiff“ durch die Tage steuern, ziehen in ganz unterschiedliche Richtungen. Eine tragfähige Gültigkeit erhält nur, was von einer Mehrheit akzeptiert wird. Das ist die Freud und das Leid gelebter Demokratie. Gerade im Parlamentsalltag wird das ausgesprochen deutlich spürbar. Kein Tag, an dem mir nicht jemand erklärt, was – in seinen Augen – für die aktuellen und langfristigen Aufgaben genau die richtige Lösung ist. Kaum eine Vorlage, der alle Parteien zustimmen können. Der Blick auf zwei Abstimmungen von dieser Woche zeigt dies typisch:

 

Bei der Änderung des Tierschutzgesetzes kann sich die FDP nicht durchsetzen. Unser Nein geht knapp unter, das Parlament sagt mit 55% Ja. Anders bei der Verschärfung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit. Der NR sagt, wie die FDP, JA.

 

Das ist Politik und vor allem Demokratie. Die Suche nach Verbesserungen, die Umsetzung mit dem geeigneten Instrument, das Schmieden von Konkordanzen und die Beharrlichkeit, an einem Thema über einen langen Zeitraum zu arbeiten. Die Aufgabe ist, die vielen verschiedenen Fäden so zu verknüpfen, dass das Anliegen eine Mehrheit findet.

 

Manchmal kann es jedoch nerven, dass alles so lange dauert. Könnte man einfach entscheiden, wäre vieles einfacher, schneller und effizienter – aber es wäre eben nicht demokratisch. Ein Bericht in der NZZ vom Dienstag hat wieder einmal darauf aufmerksam gemacht, welche Kraft Demokratie entwickeln kann:

Im Städtchen Cheràn in Mexico haben organisierte Verbrecherbanden alle terrorisiert, den Wald rücksichtslos abgeholzt und Korruption, Drogen und Verbrechen ins Städtchen gebracht. So lange, bis es den Frauen gereicht hat. Sie haben sich als Erste gegen die Verbrecher zur Wehr gesetzt. Vor allem aber hat das Städtchen die Demokratie eingeführt und so dafür gesorgt, dass die korrupten Machenschaften ins Leere liefen und die Verbrecherbanden das Weite suchten. Cheràn hat mit Demokratie das Verbrechen besiegt.

 

Auch die alten Eidgenossen haben mit einem basisdemokratischen Gedankengut die Vögte und Steuereintreiber aus der Innerschweiz vertrieben. Nach über 700 Jahren Erfahrung mit der Demokratie können wir heute, mit einem Seitenblick auf die Wirren in Europa, sagen: Es hat sich gelohnt!