«Arbeit für alle»

 

geschrieben von Otto Ineichen, Nationalrat LU

 

Die Stiftung Speranza unterstützt Jugendliche mit ungünstigen Bildungsvoraussetzungen bei ihrem Einstieg ins Berufsleben. In unserem Interview spricht Speranza-Gründer und FDP-Nationalrat Otto Ineichen über seine Erfahrungen.

 

 

 

Otto Ineichen, letztes Jahr wurden Sie bei den Swiss Awards zum Politiker des Jahres gewählt. Nicht zuletzt dankt Ihrem engagierten Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, das Projekt Speranza zu lancieren?

Jedes Jahr finden Tausende von Jugendlichen in der Schweiz keine Lehrstelle. Für einige von ihnen gibt es kantonale Brückenangebote. Doch wer auch hier leer ausgeht, droht zwischen Stuhl und Bank zu fallen. Wir haben heute in der Schweiz 15‘000 bis 25‘000 Jugendliche, die schlicht nicht mehr bildungs- und arbeitsfähig sind. Für mich ist klar: Wenn lehrstellenlose Schulabgänger aufs Arbeitsamt gehen müssen, beginnt ihr sozialer Abstieg. Jugendarbeitslosigkeit ist eine gesellschaftspolitische Zeitbombe.

 

Wie wollen Sie diese Bombe entschärfen?

Ein geglückter Einstieg ins Berufsleben ist ein wichtiges und prägendes Ereignis für jeden Jugendlichen. Ohne einen Abschluss auf Sekundarstufe II wird man aber stets mit schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert und von der Arbeitslosigkeit bedroht sein. Statt sie auszugrenzen, müsse wird deshalb möglichst alle Jugendlichen in den Arbeitsmarkt integrieren. Wir können es uns schlicht nicht leisten, das Bildungspotenzial unserer Jugend brach liegen zu lassen. Dies gilt insbesondere in einer Zeit, in der sich Industrie und Gewerbe bereits mit Nachwuchssorgen herumschlagen. Die Integration aller leistungswilligen Jugendlichen ist übrigens auch der beste Weg, um unsere Sozialwerke und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Lohnempfänger desto weniger Sozialhilfeaufwand und desto weniger Lohnnebenkosten für die Unternehmen.

 

In fünf Jahren haben Sie mit Speranza fast 10‘000 Ausbildungsplätze im niederschwelligen Bereich geschaffen. Worauf führen Sie den Erfolg zurück?

Wir springen dort ein, wo dem Staat strukturbedingt Grenzen gesetzt sind. Wir verfügen über ein grosses Netzwerk im lokalen Unternehmertum. Dadurch sind wir in der Lage, unkomplizierte und nachhaltige Lösungen zu finden. Kommt hinzu, dass wir sehr zielorientiert arbeiten. In unseren Bildungsangeboten vermitteln wir innert kürzester Zeit jene elementaren Sozial- und Selbstkompetenzen, die nötig sind, um in der Berufswelt zu stehen.

 

Welche zum Beispiel?

Zuverlässigkeit, Einsatzbereitschaft und die Fähigkeit, Kritik anzunehmen und produktiv umzusetzen.

 

Was können die jungen Leute selber zur Verbesserung Ihrer Situation beitragen?

Sie müssen bereit sein, sich den Anforderungen der Wirtschaft zu stellen und Defizite aufzuarbeiten. Zudem müssen sie möglichst früh lernen, Eigenverantwortung zu übernehmen. Nur wer sein Leben selber in die Hand nimmt und nie den Kopf in den Sand steckt, schafft den Sprung in die Arbeitswelt. In diesem Sinne leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe.

 

Sie hatte einst die Vision, bis 2011 alle Jugendlichen zu einem Abschluss auf Sekundarstufe II zu führen. Eine Illusion?

Ja, leider. Ich habe schmerzliche Erfahrungen gemacht, dass rund 20 Prozent der Jugendlichen, die wir in unserem Institut betreuen, schlicht nicht vermittelbar sind. Dabei fehlt es ihnen meist nicht am Können, sondern am Willen.

 

Worauf führen Sie die fehlende Leistungsbereitschaft mancher Jugendlicher zurück?

Die arbeitslosen Jugendlichen sind zu gut gehalten. Viele Sozialleistungen wirken sich hemmend auf ihre Motivation aus, einen Ausbildungsplatz zu suchen. Das bestätigen mir die Jungen selber. Wer keinen Ausbildungsplatz hat, erhält von Staat ohne Probleme weiterhin sein Geld. Er ist dann frei, zu tun, was er will: sich tagsüber mit Gleichgesinnten zu treffen, ein süsses Leben zu führen.

 

Was lässt sich dagegen tun?

Für mich ist klar: Wer wiederholt keine Leistungsbereitschaft zeigt, wenn er einen Praktikumsplatz vermittelt bekommt, der soll vom Staat auch kein Geld mehr erhalten.