Legislatur-Halbzeit

Acht FDP-Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die 2019 neu in den National- und Ständerat gewählt wurden, blicken auf ihre ersten beiden Jahre in Bundesbern zurück.

Andri Silberschmidt, Nationalrat Zürich

«Als ich in den Nationalrat gewählt wurde, wollte ich die jungfreisinnige Politik einbringen, die ich schon zuvor verfolgt habe. Das ist mir wenigstens zum Teil gelungen. Ich konnte Akzente in Kernthemen setzen, wie zum Beispiel das Unternehmertum stärken und Sozialwerke sichern. Unterschätzt habe ich die Dynamik der beiden Kammern. Nur weil wir im Nationalrat etwas erreicht haben, heisst das noch lange nicht, dass es dann auch durch den Ständerat kommt. Diese Dynamik zu verstehen und einzuplanen, ist eine Herkules-Aufgabe und lässt sich auch nicht innert einer Legislatur komplett lernen.

Heute denke ich viel mehr in Gesetzestexten. Wenn jemand auf mich zu kommt und bei einem Problem Hilfe verlangt, höre ich es mir an und meine erste Frage ist: In welchem Gesetz und welchem Artikel ist es geregelt? Nur wenn man ein Problem tatsächlich identifiziert, kann man es auch lösen. Das wichtigste politische Dossier ist für mich nach wie vor die Sicherung der Sozialwerke, weil wir in den letzten zwei Jahren weniger Fortschritte erzielt haben als ich mir das erhoffte. Dabei braucht es ausserparlamentarischen Druck, deshalb hat die FDP mit den Jungfreisinnigen die Renteninitiative eingereicht. Wir im Parlament müssen einen Zacken zulegen. Wenn es nach uns ginge, wären wir schon viel weiter.»

Damien Cottier, Nationalrat Neuenburg

«In den letzten zwei Jahren im Nationalrat habe ich viel darüber gelernt, wie die Prozesse ablaufen. Wenn man in der Politik etwas bewegen will, braucht es vertieftes Wissen über die Abläufe. Das ist mir nicht schlecht gelungen. Selbstverständlich gibt es immer noch Dinge, die man besser machen kann. Zum Glück kann ich auf die Unterstützung meiner Fraktionskollegen zählen. Es ist wichtig, sich selbst zu hinterfragen und Neues dazuzulernen. Lernen ist Teil des Lebens. Das wichtigste politische Dossier ist für mich die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU, unserem wichtigsten Handelspartner. Wir müssen unbedingt Lösungen finden, damit der bilaterale Weg weiterentwickelt werden kann. Das erfordert Kreativität, politischen Willen, Arbeit und Diplomatie. Ich bin überzeugt, dass diese Frage absolut zentral für unser Land ist, weil sie sich auf unseren Arbeitsmarkt und letztlich auf unsere Lebensqualität aus.»

Anna Giacometti, Nationalrätin Graubünden

«Da ich zuvor Gemeindepräsidentin von Bregaglia, hatte ich vor meiner Wahl keine Erfahrung in einer Legislative. Der Beginn im Nationalrat war eine völlig neue Welt. Besonders in Erinnerung bleibt mir der erste Tag als ich das imposante Bundeshaus betrat und mit einer Freundin sowie zwei Journalisten aus Graubünden die Treppe hinaufstieg. Ich habe erwartet, dass das Parlament schneller entscheidet. Es überraschte mich, dass ein Gesetz, nachdem es von beiden Räten angenommen wurde, in der Schlussabstimmung noch abgelehnt werden kann, so dass die Arbeit wieder bei null beginnt. 

Mittlerweile verfüge ich über mehr Erfahrung und politisiere aktiver als vor zwei Jahren. Ich habe mich stark für das CO2-Gesetz engagiert und bin im Initiativkomitee für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung. Als APK-Mitglied sind mir die Beziehungen zur EU besonders wichtig. Es stellt sich nun die Frage, wie wir den bilateralen Weg aufrechterhalten und weiterentwickeln können. Ich hoffe, dass es dem Bundesrat in Zusammenarbeit mit dem Parlament gelingt, ein stabiles Verhältnis zu unseren Nachbarn aufzubauen, die für die Schweiz so wichtig sind. Bis zum Ende der Legislatur möchte ich auch die Namen, die Herkunft und den politischen Hintergrund der vielen Menschen kennen, die mir im Bundeshaus begegnen. Neben der Arbeit im Bundeshaus gefällt mir auch die Stadt Bern. In der wunderschönen Altstadt bin ich gerne zu Fuss unterwegs.»

Matthias Michel, Ständerat Zug

«Nach 16 Jahren als Regierungsrat in Zug hatte ich den Wunsch, auf nationaler Ebene zu wirken. Als ich vor zwei Jahren ins Bundeshaus kam, war ich erstmal ergriffen. Die Realpolitik war dann wieder etwas anderes. Fasziniert und überrascht, hat mich die Dimension des Zweikammersystems. Wenn man aus einem Kanton kommt, kennt man die Regierung und das Parlament mit einer Kammer. Das Zweikammersystem wirkt auf den ersten Blick sehr kompliziert und ich habe Zeit benötigt, um zu erkennen, welche Geschäfte zuerst in welchen Rat kommen und was danach folgt bis zu den Differenzbereinigungen.

Die Vereidigung ging mir besonders unter die Haut. Wegen eines zweiten Wahlgangs im Kanton Zug wurde meine Wahl erst einen Tag nach Sessionsbeginn bestätigt. Das hat mich zuerst etwas geärgert, aber dafür durfte ich alleine zwischen den Weibeln vor dem Ratspräsidium meinen Eid ablegen. Sofern das Ständeratsbüro bestätigt, kann ich in der zweiten Legislaturhälfte das Präsidium der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Ständerats übernehmen. Die GPK beaufsichtigt den Bundesrat, wie er die Verwaltung führt, ob effizient und rechtmässig. Diese Rolle ist mir auf den Leib geschneidert, da ich von der Exekutive komme.»

Johanna Gapany, Ständerätin Freiburg

«Nach meiner Wahl in den Ständerat wollte ich mein Netzwerk auf eidgenössischer Ebene vergrössern, da ich vorher in einer städtischen Exekutive und im Freiburger Kantonsparlament war. Ein gutes Netzwerk ist wichtig, um möglichst viel bewegen zu können und meinen Kanton optimal zu vertreten. In den letzten zwei Jahren wurde die politische Arbeit durch die Covid-Pandemie erschwert. Die parlamentarische Arbeit beinhaltete deutlich weniger persönlichen Austausch. Für mich als neue Ständerätin war es anspruchsvoll, weil die Beschlüsse bezüglich Corona sehr rasch abgearbeitet wurden. Dadurch lernte ich die Prozesse schnell kennen und wusste bald, worauf es ankommt.

Mich haben insbesondere die Finanzen und den künftigen Umgang mit den Schulden interessiert, da ich bald das Präsidium der Finanzkommission übernehme. Mir ist es wichtig, dass die Schulden nicht künftigen Generationen aufgebürdet werden. Überrascht hat mich die ausgeprägte Diskussionskultur im Ständerat. Es geht tatsächlich nicht darum, dass jeder seine Rede hält, sondern dass man auf die Vorredner eingeht. Der Ständerat zeigt einen ausgeprägten Willen zur Demokratie mit ausführlichen Debatten und Entscheidungen, die genau abgewogen werden. Natürlich werden auch in diesem ruhigen Rahmen dynamische Entscheide getroffen.»

Maja Riniker, Nationalrätin Aargau

«In den letzten zwei Jahren habe ich viel über politische Mechanismen und Taktiken gelernt. Dazu habe ich meine Kenntnisse der anderen Landessprachen verbessert. Als Aargauerin waren mir diese zuvor weniger geläufig. Auch gegenseitiges Vertrauen und Kooperation lernte ich kennen, wie auch das Gegenteil. Die überparteiliche Zusammenarbeit finde ich einen grossen Vorteil und etwas Schönes, das ich nicht in diesem Ausmass erwartet habe. Man hat mich auch vor der vielen Arbeit gewarnt, dass es so viel Arbeit ist, habe ich aber nicht gedacht.

Der Abbruch der Session am 16. März 2020 als der Lockdown beschlossen wurde, das hat mich stark geprägt. Traurig war auch der Tod meines Nationalratskollegen Albert Vitali. Ich durfte ihn nicht lange erleben, habe ihn aber sehr gerne gehabt. Das waren emotionale Momente, die prägen. Das wichtigste Dossier ist für mich der Alimentierungsbericht, bei dem es um die Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz geht. Ebenfalls müssen wir klären, wie ein Dienst an der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Armee- und Zivilschutz-Beständen funktioniert, inklusive Frauen in der Armee. Das ist ein langfristiges Projekt, das ich gerne noch weiter verfolgen würde. Ebenfalls habe ich im Bereich Bevölkerungsschutz Ideen, wie man die Bevölkerung noch aktiver alarmieren kann.»

Simone de Montmollin, Nationalrätin Genf

«Die erste Amtshandlung beim Legislaturbeginn 2019 war die Vereidigung. Als wir den Eid abgelegt haben, wurde mir bewusst welche Verantwortung wir als Volksvertreter tragen. Ich war dankbar gegenüber den Menschen, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben und wollte gleich mit der Arbeit beginnen, um eben dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Im Gegensatz zum kantonalen Parlament ist die Polarisierung zwischen den Fraktionen deutlich stärker. Das wirkt sich auch auf die Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus. Aufgefallen ist mir auch, dass sich einige Ratsmitglieder stark für persönliche Anliegen einsetzen, andere eher Parteiinteressen vertreten. Ich habe schnell gelernt, für meine Überzeugungen einzustehen. Allerdings verändern sich die Prioritäten je nach Agenda des Parlaments, des Bundesrats oder bei unerwarteten Ereignissen. Da muss man die Energie einsetzen, wo sich etwas bewirken lässt.»

Susanne Vincenz-Stauffacher, Nationalrätin St. Gallen

«Der erste Tag der Legislatur war bei mir ein bisschen wie der erste Schultag. Ich war gespannt, hatte Erwartungen, aber natürlich auch eine gewisse Unsicherheit. Aus dem Kantonsrat war ich mir das Politisieren in einer Legislative gewohnt, war aber gespannt, wie sich das auf Bundesebene anfühlt. Mittlerweile weiss ich, wie faszinierend die Aufgabe ist. Man kann etwas bewirken, wenn man sich in die Dossiers einliest. Im Kantonsparlament dauerte die Session drei Tage, in Bern sind es drei Wochen. Dazu kommt das Zweikammersystem, das auch taktisch genutzt werden kann. Dabei habe ich gelernt, wie wichtig Gespräche hinter den Kulissen sind.

Es freut mich auch, dass ich in der UREK-N mitarbeiten darf. Neben den Umweltthemen liegen mir aktuell besonders auch die AHV-Revision und die BVG-Revision am Herzen. Ich finde es wichtig, dass gerade wir bürgerlichen Frauen hierbei für unsere Ideale hinstehen und ein Gegengewicht zur linken Abwehr- und Anspruchshaltung bilden. In der zweiten Legislaturhälfte will ich mich zudem dafür einsetzen, dass wir die Energiewende mit Massnahmen erreichen, die uns Freisinnigen entsprechen. Neben dem Parlamentsbetrieb ist es die Volksinitiative zur Einführung der Individualbesteuerung, die wir FDP Frauen lanciert haben. Hier braucht es noch viel Einsatz, um diese Volksinitiative ins Tor zu tragen. Aber ich freue mich darauf, auf der Strasse mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.»