«Überfachliche Kompetenzen ins Zeugnis»

Interpellation Stöckling-Rapperswil-Jona / Frei-Rorschacherberg / Keller-Gätzi-Wittenbach

Im Sommer 2022 wurde in der Volksschule des Kantons St.Gallen erstmals das Zeugnis gemäss «Handreichung Schullaufbahn Kanton St.Gallen» ausgehändigt. Eine Beurteilung der überfachlichen Kompetenzen, sprich die Beurteilung des Arbeits-, Lern- und Sozialverhaltens (ALSV) der Kinder respektive Jugendlichen, war darin wie gesetzliche vorgesehen nicht enthalten. Obwohl der Lehrplan und auch Abnehmerinstitutionen wie Lehrbetriebe diesen Kompetenzen eine immer grössere Bedeutung zumessen, schweigt sich das Zeugnis der St.Galler Schülerinnen und Schüler dazu jedoch aus.

Die überfachlichen Kompetenzen werden zwar von den Lehrpersonen pflichtgetreu gemäss kantonalem Formular zeitaufwändig beurteilt und im Elterngespräch eingebracht, doch die Beurteilung fehlt dann im Zeugnis. Da die Lehrpersonen die Beurteilung der überfachlichen Kompetenzen somit sowieso vornehmen müssen, würde eine entsprechende Aufnahme im Zeugnis für sie keinen Mehraufwand bedeuten. Der förderorientierte Ansatz überfachlicher Kompetenzen läuft ohne abschliessende bilanzierende Beurteilung im Zeugnis so ins Leere, denn Fachkompetenzen werden gemäss Lehrplan ebenfalls förderorientiert beurteilt und im Zeugnis bilanzierend ausgewiesen, also sollte dies auch mit überfachlichen Kompetenzen geschehen.

Demgegenüber weisen ausnahmslos alle an den Kanton St.Gallen angrenzenden und vom Kanton St.Gallen umgebenen Kantone die überfachlichen Kompetenzen, beziehungsweise ALSV, im Zeugnis aus, namentlich die Kantone Zürich, Schwyz, Glarus, Gaubünden, Thurgau, Appenzell Innerhoden sowie Ausserrhoden. Einzig der Kanton St.Gallen tut dies in der Ostschweiz nicht!

Die Oberstufenschülerinnen und -schüler im Kanton St.Gallen sind bei der regionalen, überkantonalen Lehrstellensuche somit klar benachteiligt. Kindern und Jugendlichen, welche sich beim Lernen anstrengen und bereits über hohe Sozialkompetenzen verfügen, wird ein wichtiger Beurteilungsaspekt, der für die erfolgreiche Bewerbung möglicherweise entscheidend sein kann, vorenthalten.

Schliesslich können Erziehungsberechtigte das Formular der Beurteilung der überfachlichen Kompetenzen bei der Lehrperson anfordern, zudem können potentielle Lehrbetriebe bei der Lehrperson eine Referenz dazu einholen. Aber ersteres dürfte nur einer Minderheit bekannt sein und zweiteres stellt ein Zusatzaufwand dar gegenüber Bewerbenden anderer Kantone und dieser dürfte nur in den wenigsten Fällen geleistet werden.

Wir bitten die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Erachtet die Regierung die Chancen der St.Galler Lernstellensuchenden als gleichwertig gegenüber denjenigen aus anderen Kantonen in Bezug auf die Beurteilung der überfachlichen Kompetenzen?
  2. Falls nein, wie gedenkt die Regierung diesen Nachteil auszugleichen?
  3. Bestehen bereits erste Erfahrungszahlen wie häufig das Formular der Beurteilung der überfachlichen Kompetenzen bei der Lehrperson durch Erziehungsberechtigte und Lehrbetriebe angefordert wird?
  4. Erachtet die Regierung den Entscheid, die Beurteilung der überfachlichen Kompetenzen nicht ins Zeugnis aufzunehmen, mit Blick auf die unterschiedliche Situation in anderen Kantonen als nach wie vor richtig?
  5. Geht die Regierung davon aus, dass die Möglichkeit, das Formular der Beurteilung der überfachlichen Kompetenzen bei der Lehrperson anzufordern, bei Erziehungsberechtigten und Lehrbetrieben ausreichend bekannt ist?
  6. Ist die Regierung bereit, diese Thematik bei einer allfälligen Revision des Volksschulgesetzes mit einfliessen zu lassen?
Ramon Weber
Christian Lippuner