Nutzlos, illiberal, und zentralistisch: die Verhüllungsverbots-Initiative

Obwohl es in der Schweiz null Burkaträgerinnen und keine Probleme mit den marginal wenigen Niqabträgerinnen gibt, will eine Initiative ein nationales Verbot erzwingen. Die FDP lehnt diese heuchlerische Initiative, die gegen alle liberale Grundsätze verstösst und vielfältige Einschränkungen bringt, vehement ab.

Auch ein Halloween-Kostüm könnte unter das Verhüllungsverbot fallen.

 

Die Verhüllungsverbot-Initiative zielt darauf ab, jegliche Verhüllung des Gesichts an öffentlichen Orten zu verbieten – sei es durch das Tragen einer Kapuze oder eines Schleiers, wie die Burka oder den Niqab. Die FDP ist klar gegen die Initiative, denn Kleiderverbote gehören nicht in die Verfassung. Das Verhüllungsverbot gibt vor, ein Problem zu lösen, das gar nicht existiert. Schliesslich sind die meisten Burka-Trägerinnen in der Schweiz Touristinnen, leidtragend wäre also auch der Tourismus-Sektor. Die Initiative schadet jedoch nicht nur dem Tourismus, sondern auch dem Religionsfrieden. Die Initianten verfolgen dabei eine Strategie der Ausgrenzung unter dem Vorwand der Gleichstellung der Frauen und der Sicherheit. Deshalb empfiehlt auch der Bundesrat zusammen mit dem National- und Ständerat die Volksinitiative abzulehnen.

Keine Kleidervorschriften in der Verfassung
Die alten Zeiten von rigiden staatlichen Kleidervorschriften namentlich für Frauen sind zum Glück vorbei. Hält man den liberalen Grundgedanken hoch, sollen sich Schweizerinnen und Schweizer als auch Touristinnen und Touristen so kleiden, wie sie das für angemessen halten.
Die Initiative des nicht besonders frauenfreundlichen Egerkinger Komitees versucht auf heuchlerischem Weg, ein Verhüllungsverbot durchzubringen und gibt dabei vor, Frauen schützen zu wollen. Das bestehende Recht erlaubt es jedoch bereits heute einzugreifen, wenn jemand gezwungen wird, einen Schleier zu tragen. Ein weitergehendes Verhüllungsverbot führt kaum dazu, dass Frauen vom Tragen der Burka oder des Niqabs befreit werden, sondern, dass diese allenfalls daran gehindert werden ihr Haus zu verlassen. Zudem: Die einzige Studie zum Thema belegt, dass die wenigen Schweizer Niqab-Trägerinnen dies freiwillig – oft gegen den Willen ihrer Familie tun, ähnlich wie z.B. Punks. 

Hinzu kommt: Der schludrig formulierte Initiativtext verbietet nicht nur Niqabs und Vermummung, sondern auch Verkleidung zu Marketingzwecken oder zu Halloween, ja sogar Sport-Maskottchen!

Angriff auf den Religionsfrieden    
Mit der Vorlage wird bewusst Unmut gegenüber dem Islam gestreut. Es wird ein Problem kreiert, das sich angesichts der verschwindend geringen Zahl betroffener Personen gar nicht stellt. In der Schweiz leben zurzeit 360'000 Muslima und Muslime. Es gibt keine Burka-Trägerinnen und circa 20-35 Niqab-Trägerinnen. Diese Anzahl ist konstant, somit findet keine, von den Initianten proklamierte, «radikale Islamismuswelle» statt. 
Die Initiative gibt weiter vor, die Integration zu fördern, dabei fördert sie nur die Ausgrenzung von bereits hier lebenden Frauen. Die geltende Gesetzgebung sieht zudem bereits heute klare Regelungen vor, wenn sich Personen in der Schweiz bewusst nicht in den Arbeitsmarkt oder die Gesellschaft integrieren wollen, beispielsweise die Verweigerung von Arbeitslosengeld oder Einbürgerung. 

Sicherheit wird bereits gewährleistet
Die Angst eines terroristischen Anschlags durch Burka-Trägerinnen ist absurd. Es gibt genau null bekannte Fälle von Straftaten durch auffällig verhüllte Frauen in der Schweiz, aber unzählige durch Menschen in unauffälligen Zivilkleidern.

Jeder Kanton kann und soll selbst entscheiden, welche Regeln er in seinem öffentlichen Raum einführen möchte. Die Kantone sollen auch künftig selbst entscheiden können, ob sie ein Verhüllungsverbot wollen oder nicht. Die Kantone St. Gallen und Tessin kennen bereits heute Verhüllungsverbote. Im Kanton Glarus wurde eine ähnliche Vorlage an der Landsgemeinde abgelehnt, ebenso in den Kantonsparlamenten der Kantone Zürich, Solothurn, Schwyz und Basel-Stadt. Ähnlich bei Vermummungsverboten bei Demonstrationen, die viele Kantone kennen, ebenso viele aber bewusst nicht. Diese Initiative greift ohne jegliche Begründung in die kantonale Souveränität ein.

Konstruktiver Gegenvorschlag
Die FDP lehnt die Initiative klar ab, unterstützt jedoch den Gegenvorschlag, der bei einem Nein zur Initiative in Kraft tritt. Mit ihm wird auf Gesetzesstufe festgelegt, dass alle Personen ihr Gesicht zeigen müssen, wo der Bund sie identifizieren muss, beispielsweise am Zoll oder im ÖV. Wer sich bei einer wiederholten Aufforderung widersetzt, wird mit einer Busse bestraft und die entsprechende Leistung verweigert. Der Gegenvorschlag schränkt die Autonomie der Kantone jedoch nicht ein. Somit würde die Initiative im besten Fall nichts bewirken und im schlechtesten Fall den Religionsfrieden gefährden, dem Tourismus schaden und die liberale Tradition der Schweiz untergraben.

Andrea Caroni, Ständerat AR

Andrea Caroni