Mieterverbandsinitiative: Unnötig und schädlich.

Am 9. Februar 2020 stimmen wir über die vom Schweizerischen Mieterverband lancierte Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» ab.
Von Andreas Zappalà, Grossrat und Geschäftsführer HEV Basel-Stadt

Titel und Text der Mieterverbandsinitiative weisen Diskrepanzen auf: Im Initiativtext selbst wird die Förderung des Angebots von preisgünstigen Mietwohnungen verlangt. Dass «preisgünstig» und «bezahlbar» nicht das Gleiche ist, betont selbst der Mieterverband Basel-Stadt, der in Bezug auf seine im Jahr 2018 vom kantonalen Stimmvolk angenommene Initiative genau auf diese Unterscheidung Wert legt. Selbst SP Grossrat Georg Mattmüller stellt in seiner Anfrage vom 21. Oktober 2019 (19.5485.01) an den Regierungsrat fest, dass eine Wohnung je nach Umständen im Verhältnis zu vergleichbaren Wohnungen preisgünstig sein kann, obwohl diese für auf dem Wohnungsmarkt Benachteiligte unerschwinglich ist.

Die Behauptung der Initianten, mit Annahme der Initiative werden die Wohnungen für alle bezahlbar, ist unredlich, denn genau das verlangt die Initiative gar nicht. Auch das geforderte Vorkaufsrecht zugunsten der Kantone und Gemeinden ändert daran nichts, denn das Gemeinwesen müsste auf dem Markt teuer Boden kaufen und wäre deshalb nicht in der Lage, bezahlbaren Wohnraum darauf zu errichten, ohne diesen zusätzlich zu subventionieren.

Nichts bringt auch das Verbot, den Mietzins nach energetischen Sanierungen zu erhöhen. Erhält der Vermieter eine Subvention, so darf er auf diesem Teil bereits heute keine Erhöhung berechnen. Und wenn vorgegaukelt wird, mit Annahme der Initiative können Massenkündigungsfälle wie bei den Schorenhäusern verhindert werden, so ist das Stimmungsmache. Die Initiative verbietet Kündigungen in keiner Weise.

Somit verkommt die Initiative zur einzigen zentralen, aber überflüssigen und für den preisgünstigen Wohnungsbau gar schädlichen Forderung, dass 10 Prozent der neu gebauten Wohnungen im Besitz von gemeinnützigen Wohnbauträgern sein sollen. Dabei wird nicht bestritten, dass Genossenschaftswohnungen zu Erhalt und Schaffung preisgünstigen Wohnraums beitragen können.

Diese absolute Forderung macht aber gesamtschweizerisch betrachtet keinen Sinn. In vielen ländlichen Gebieten besteht heute ein Überangebot an Wohnraum. Die Initiative würde dort nicht zu mehr billigeren Wohnungen führen, sondern höchstens den Leerwohnungsbestand erhöhen. Dies ist auch unter ökologischen Gesichtspunkten reiner Unsinn.

Wenn nun aber die Initianten sagen, die Erreichung dieser Marke in sämtlichen Gebieten sei gar nicht gemeint, sondern im Schweizer Durchschnitt sei diese Vorgabe zu erreichen, so ist die Initiative gänzlich überflüssig. Denn dort, wo der Wohnungsmarkt im Bereich des preisgünstigen Wohnungsbaus prekär ist, wird schon viel unternommen, und dort bewegt sich der gemeinnützige Wohnanteil auf einem Level, der über dieser Marke liegt. So beträgt der gemeinnützige Wohnanteil in Basel-Stadt bereits 13 Prozent; dieser Anteil soll in den nächsten Jahren mit diversen konkreten Massnahmen zugunsten des gemeinnützigen Wohnungsbaus auf 25 Prozent erhöht werden. Gemäss statistischen Zahlen gehören von den 2019 neu gebauten 865 (!) Wohnungen 6 Prozent Genossenschaften und 5 Prozent gemeinnützigen Stiftungen. Somit ist die Vorgabe der Initiative schon erfüllt!

Wenn nun der Bund vom Kanton verlangen würde, dass der Anteil in Basel zur Erfüllung des gesamtschweizerischen 10-Prozent- Durchschnitts höher sein muss, würde das nichts anderes heissen, als dass beträchtlich weniger Wohnungen hätten gebaut werden dürfen. Denn 865 stellt im Vergleich zu den Vorjahren bereits ein hoher Wert dar. Der Bau von mehr Wohnungen hätte also gar nicht drin gelegen. Die Steigerung des gemeinnützigen Anteils würde also nur mittels weniger gebauten Wohnungen realisiert werden können. Weniger Wohnungen verteuern aber den Wohnraum. Das Beispiel zeigt, wie unsinnig es ist, in einer Verfassungsbestimmung eine Quote zu definieren. Darum lehnen Bundesrat und Parlament die Initiative zu Recht ab. Ihr indirekter Gegenvorschlag mit einer Erhöhung der finanziellen Mittel für den gemeinnützigen Wohnungsbau ist sinnvoll und zielgerichtet. Er verdient deshalb die Umsetzung, was aber nur mit einem Nein zur Initiative möglich ist.

Andreas Zappalà