Individualbesteuerung bekämpft Personalmangel - auch im Kanton St.Gallen?

Interpellation der FDP-Fraktion

Am 04. Oktober 2022 ist die eidgenössische Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung» zustande gekommen. Zudem ist ein Gesetzesprojekt zur Einführung der Individualbesteuerung auf Bundesebene weit fortgeschritten. Der Schweizer Bevölkerung bietet sich damit die Chance, einen Schritt in Richtung mehr Steuergerechtigkeit zu gehen und gleichzeitig dem Fach- und Personalmangel entgegenzuwirken.

Zwei von drei Ostschweizer Unternehmen bekunden derzeit erhebliche bis grosse Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden. Nach aktueller Prognose wird der Fachkräfte- und Personalmangel 2029 seinen Höchststand erreichen. Bis 2035 werden auf dem Ostschweizer Arbeitsmarkt gegenüber heute schätzungsweise 60'000 Personen fehlen. Unter diesen herausfordernden Voraussetzungen muss sich der Kanton St.Gallen weiterentwickeln und seine unterdurchschnittliche Ressourcenkraft verbessern. Insbesondere muss hierzu das bestehende Arbeitskräftepotenzial besser genutzt werden. Massnahmen für eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Anpassungen im Besteuerungssystem sorgen für eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung.

Die Individualbesteuerung verfolgt das Ziel, möglichst hohe Arbeitsanreize für Zweitverdienende zu setzen und die Chancengleichheit der Geschlechter zu fördern. Zudem wird die als «Heiratsstrafe» bekannte Höherbelastung von bestimmten Ehepaaren gegenüber unverheirateten Paaren beseitigt, in dem Ehepaare wie unverheiratete Paare getrennt besteuert werden.

Im Gegensatz zum Splittingmodell, das die Steuerbelastung für die zweitverdienende Person kaum verändert, führt die Individualbesteuerung zu höheren Erwerbsanreizen. Der Bund rechnet bei Einführung der Individualbesteuerung mit positiven Beschäftigungseffekten, da es insbesondere für verheiratete Zweitverdienende attraktiver wird, mehr zu arbeiten. Die Umsetzung der Individualbesteuerung auf allen Staatsebenen könnte zu einer Zunahme der Erwerbstätigkeit um 60'000 Vollzeitstellen führen und würde einen entsprechenden volkswirtschaftlichen Impuls auslösen. Auch die Regierung der Kantons St.Gallen teilte im Rahmen der Beantwortung der Interpellation 61.21.06 «Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Individualbesteuerung einführen» die Meinung, dass die Individualbesteuerung positive Erwerbsanreize für Zweitverdienende setzt und diesbezüglich besser als das Splittingmodell abschneidet.

Die FDP-Fraktion bittet die Regierung mit der eingereichten um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Mit welchen positiven Beschäftigungseffekten wird im Kanton St.Gallen mit der Einführung der Individualbesteuerung gerechnet?
  2. Um wie viele Vollzeitstellen würde die Erwerbstätigkeit im Kanton St.Gallen gemäss den Einschätzungen des Bundes zunehmen?
  3. Welche Vorteile hätte die Einführung der Individualbesteuerung im Vergleich zum Splitting-Modell bezüglich erhöhter Erwerbsanreize?
  4. Würde sich der vom Bund erwartete volkswirtschaftliche Impuls durch die Einführung der Individualbesteuerung auch positiv auf die Ressourcenkraft des Kantons St.Gallen auswirken?
  5. Inwiefern würde die Einführung der Individualbesteuerung dem Fachkräfte- und Personalmangel entgegenwirken?
Ramon Weber
Christian Lippuner