«Datenschutz macht einen Schritt vorwärts»

Am 7. März stimmt die Schweiz über die Einführung einer E-ID ab. Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärt im Interview, warum rein staatliche Lösungen nicht sinnvoll sind, was mit persönlichen Daten passiert und wo sich die E-ID nutzen lässt.

Wofür braucht es eine E-ID?
Eine staatlich anerkannte, elektronische Identität ist die Basis für die weitere Digitalisierung in der Schweiz. Die E-ID wird es erlauben, uns einfach, sicher und praktisch im Internet anzumelden. Heute ist oft nicht klar, was mit unseren Daten passiert. Deshalb schaffen wir mit der E-ID erstmals ein gesetzlich geregeltes Login. Nach Schweizer Recht und mit einem starken Datenschutz. Das ist eine Chance für die Schweiz, sonst galoppieren uns Apple und Co. mit ihren eigenen IDs davon. Keine davon ist heute gesetzlich geregelt.

Die Gegner kritisieren die Beteiligung privater Firmen. Wieso setzt der Bundesrat auf dieses Modell?
In unserem Modell tut der Bund das, was nur der Bund tun kann: Er übernimmt die hoheitlichen Aufgaben, indem er die Identität der einzelnen Personen überprüft. Ausserdem ist er zuständig für die Prüfung, Anerkennung und Kontrolle der Anbieterinnen. Die technische Umsetzung hingegen, das können auch Private, Kantone oder Gemeinden. Die Erfahrungen im Ausland waren zudem ernüchternd. Die Bevölkerung akzeptierte die rein staatlichen Lösungen nicht, weil sie zu kompliziert waren. In Deutschland beispielsweise benutzen nur etwa sechs Prozent der Bevölkerung die E-ID. Deshalb setzen Bundesrat und Parlament jetzt auf ein zukunftsorientiertes Modell mit einer klaren Aufgabenteilung.

Deutschland, Österreich oder UK setzen bereits auf eine E-ID. Ist der Einsatz einer E-ID so unsicher, dass die Schweiz erst jetzt eine E-ID einführen will?
Mit Sicherheit hat das nichts zu tun. Auch in der Schweiz haben die Arbeiten an der E-ID schon vor etwa 20 Jahren begonnen. Der Bund hat verschiedene Varianten sorgfältig geprüft. Heute haben wir einen ausgewogenen Kompromiss gefunden. Dieser berücksichtigt die Sicherheit, den Datenschutz und die Anwenderfreundlichkeit gleichermassen. Und wir haben eine gute Balance zwischen öffentlichen und privaten Stellen gefunden. Ein guter Kompromiss braucht Zeit. Mit dem E-ID-Gesetz haben wir ihn.

Welche Unternehmen kommen für die Herausgabe der E-ID in Frage?
Wir wissen vom Kanton Schaffhausen und bereits von fünf Unternehmen, dass sie sich als Anbieterinnen anerkennen lassen wollen. Es wird also einen Wettbewerb geben. Die besten technologischen Lösungen werden sich durchsetzen. Das begrüsse ich. Wettbewerb verspricht moderne und zukunftsweisende Lösungen für die Kunden und die Unternehmen.

Von linker Seite wird moniert, dass der Datenschutz nicht gewährleistet werden könne. Wie entgegnen Sie diesem Vorwurf?
Mit dem neuen Gesetz machen wir sogar einen Schritt vorwärts. Heute wissen wir nicht, was mit den Daten passiert, wenn wir uns im Internet anmelden, zum Beispiel mit Google, Apple oder Facebook. Mit dem E-IDGesetz legen wir erstmals gesetzliche Regeln fest. Der Datenschutz ist dabei strenger als sonst: Daten dürfen immer nur mit der ausdrücklichen Zustimmung der E-ID-Nutzerinnen weitergegeben werden. Ausserdem gibt es eine klare Trennung der verschiedenen Daten: Die Personendaten, die zur Identifikation einer Person dienen, und die Nutzungsdaten der E-ID müssen getrennt voneinander aufbewahrt werden. So wird verhindert, dass Nutzerprofile erstellt werden können. Solche sind auch verboten. Die Daten müssen zudem in der Schweiz bleiben, deshalb steht übrigens auch der eidgenössische Datenschützer hinter dem neuen Gesetz.

Wie wird sichergestellt, dass Private diese Daten nicht irgendwann verwenden?
Auch das ist im Gesetz klar geregelt, das dürfen sie nicht. Zudem werden alle Anbieterinnen durch eine neue, unabhängige Kommission beaufsichtigt und kontrolliert. Bei einem Fehlverhalten kann einer Anbieterin die Anerkennung entzogen werden.

Was passiert, wenn beispielsweise ein beteiligtes Unternehmen aussteigt oder in Konkurs geht?
Daran hat der Gesetzgeber ebenfalls gedacht und vorgesorgt. So kann das E-ID-System von einer anderen anerkannten Anbieterin übernommen werden – aber nur, wenn die Inhaber der E-ID dem zustimmen. E-ID-Systeme sind zudem weder pfändbar, noch fallen sie in die Konkursmasse.

Wo lässt sich die E-ID überall einsetzen – welcher konkrete Nutzen entsteht für Bürgerinnen und Bürger?
Bis jetzt müssen wir für viele Dienstleistungen unsere Identität umständlich nachweisen, zum Beispiel durch persönliches Erscheinen. Mit einer E-ID wäre dies nicht mehr nötig, das würde insbesondere das E-Government voranbringen. Ausserdem könnten die Bürgerinnen und Bürger erstmals ein sicheres Login verwenden, das staatlich geregelt ist.

Was geschieht bei einem Nein zur E-ID?
Wird die Vorlage am 7. März abgelehnt, gibt es keine staatlich anerkannte E-ID. Damit verschenken wir vor allem Zeit, denn das bedeutet konkret, dass wir weiterhin keinen gesetzlichen Rahmen für elektronische Identifizierungsverfahren haben. Die Schweiz würde bezüglich E-ID noch weiter in Rückstand geraten. Dass sich dereinst eine rein staatliche E-ID politisch durchsetzen könnte, bezweifle ich. Das Gesetz wäre ein sehr konkreter Fortschritt auf dem Weg der Digitalisierung.

Wie sieht der Zeitplan bei einem Ja zur E-ID aus?
Der Bundesrat wird möglichst rasch die technischen Verordnungen in die Vernehmlassung schicken. Parallel dazu würden wir die neue Aufsichtskommission aufbauen. Beides braucht aber Zeit, ich rechne damit, dass wir uns etwa in zwei Jahren mit der E-ID im Internet anmelden könnten.

Sie haben jetzt einen Marathon an Abstimmungen hinter sich: Unternehmensverantwortungsinitiative, Kündigungsinitiative und das Schengen-Referendum. Jetzt stehen die E-ID und der Kampf gegen die Burkainitiative an. Woher nehmen Sie die Energie, sich jetzt zu 100 Prozent diesen Vorlagen zu widmen?
Es stimmt, auch 2021 wird ein intensives Jahr, es stehen auch nach dem 7. März weitere wichtige Abstimmungen an, z.B. die Abstimmung über die polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Kraft tanke ich bei Spaziergängen in der Natur oder bei der Lektüre eines guten Buches. Und überdies erfüllt und motiviert mich die Aufgabe als Bundesrätin.

Karin Keller Sutter