«So löst man keine Probleme»

 

 

geschrieben von Freddy Trütsch, Zugerzeitung

Dieser Tage lancierten Grüne und SP eine Volksinitiative für eine öffentliche Krankenkasse. Vor drei Jahren hat das Volk eine ähnliche Vorlage deutlich abgelehnt. Wir haben beim Zuger Gesundheitsdirektor Joachim Eder nachgefragt. SP, Grüne sowie Patienten- und Konsumentenorganisatoren nehmen einen erneuten Anlauf für eine Einheitskrankenkasse.

 

 

 

Was sagen Sie als Gesundheitsdirektor dazu?

 

Joachim Eder:

Mein erster Gedanke war: Schon wieder! Denn erst 2007 wurde die letzte Initiative für eine Einheitskasse vom Volk mit über 70 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Dass die Idee nun erneut aufgewärmt wird, hängt nicht zuletzt mit den eidgenössischen Wahlen im Herbst zusammen. Es geht meines Erachtens vor allem um Ideologie.

 

Das heutige System sei ein Relikt aus der Vergangenheit. Es ist also Zeit, da etwas zu ändern?

 

Eder: Zweifellos besteht Handlungsbedarf. Eine Einheitskasse ist aber der falsche Weg. Indem man nämlich der Bevölkerung die Wahlfreiheit nimmt, löst man sicher keine Probleme. Vielmehr müssen die Auswüchse des Wettbewerbs korrigiert werden, statt ein Monopol zu installieren.

 

An welche Auswüchse denken Sie?

 

Eder: Zum einen sind mir die aggressiven Methoden beim Telefonmarketing und die Vermittlungsprovisionen ein Dorn im Auge. Zum andern ist es die Risikoselektion mit den Billigkassen. Diese Fehlentwicklungen sind erkannt und werden auch ohne Einheitskasse beseitigt. Davon bin ich überzeugt.

 

Die Initianten wollen damit die steigenden Krankenkassenprämien und Beiträge der Kantone für das Gesundheitswesen in den Griff bekommen? Glauben Sie, dass das gelingt?

 

Eder: Sicher nicht. Die Verwaltungskosten machen nur gerade 5 Prozent der Prämien aus. 95 Prozent sind Aufwendungen für Spitäler, ärztliche Leistungen, Medikamente und vieles mehr. Daran ändert die Einheitskasse nichts. Im Gegenteil entfällt ohne Wettbewerb der Anreiz, die Prämien und Verwaltungskosten tief zu halten. Eine öffentlich-rechtliche Einrichtung soll für die obligatorische Krankenversicherung in den Kantonen zuständig sein. Für jeden Kanton würde eine Prämie festgelegt.

 

Das soll Kosten sparen. Ist das wirklich so?

 

Eder: Bereits heute gibt es für jeden Kanton separate Prämien. Ich sehe hier keinen Unterschied – ausser dass man jetzt noch die Kasse mit der tiefsten Prämie, dem besten Service und dem passenden Versicherungsmodell frei wählen kann. Das wäre künftig nicht mehr möglich.


Die Jagd nach guten Risiken falle weg, sagen die Initianten. Ist das nicht so?

 

Eder: Doch, das ist korrekt. Dieses Problem lässt sich aber auch mit einem verfeinerten Risikoausgleich lösen. Versicherer mit vielen jungen und gesunden Mitgliedern müssen Geld in einen Topf einzahlen, während Krankenkassen mit vielen älteren und kranken Versicherten Geld erhalten. Damit werden die bestehenden Fehlanreize beseitigt.

 

Sie sagen: «Die Initiative verbaut die Wahlfreiheit der Patienten, verhindert den Wettbewerb unter Kassen und Anbietern. » Die Initianten sprechen von Scheinwettbewerb.

 

Eder: Auch bei Migros, Coop und Volg ist das Grundangebot sehr ähnlich. Aber niemand käme auf die Idee, deswegen von Scheinwettbewerb zu sprechen. Denn beim Preis, bei der Produktgestaltung und beim Kundendienst gibt es sehr wohl Unterschiede. So ist es auch bei den Krankenversicherern. Wenn wir die Wahlfreiheit bei den Lebensmitteln schätzen, dann erst recht, wenn es um die Gesundheit geht!

 

Im Ausland gibt es Einheitskrankenkassen. Macht man damit gute Erfahrungen?

 

Eder: Einheitskassen im Ausland sind meist mit erheblichen Einschränkungen bei der Arztwahl und beim Zugang zu neuen Therapien verbunden. Das ist zwar kostengünstiger, aber bestimmt nicht im Sinne der Schweizer Bevölkerung. Die Einheitskasseninitiative geht zwar nicht ganz so weit, doch bedeutet sie einen ersten Schritt in Richtung Staatsmedizin.

 

Wie würden Sie das Problem um die Krankenkassenprämien angehen? Gibt es überhaupt Möglichkeiten, die Kosten in den Griff zu bekommen?

 

Eder: Wir dürfen nicht rationieren, sondern müssen das Gesundheitswesen rationalisieren. Dazu braucht es aus dem Bundesparlament endlich positive Signale und Entscheide sowie konstruktive, parteiübergreifende Allianzen. Nötig ist aber auch eine bessere Zusammenarbeit unter den Leistungserbringern und zwischen den Kantonen. In diese Richtung geht etwa die Managed-Care-Vorlage von Bundesrat Burkhalter oder die Kooperation von Uri, Schwyz und Zug im Bereich der Psychiatrie. Damit wird nicht nur die Kosteneffizienz verbessert, sondern auch die Qualität der medizinischen Versorgung.

 

Sie scheinen nicht so optimistisch?

 

Eder: Tatsächlich. Wenn nicht alle bereit sind, einen substanziellen Beitrag zu leisten und auch gewisse Abstriche in Kauf zu nehmen, dreht sich die Spirale leider weiter nach oben.