Schuldenbremsen haben nicht ausgedient

 

 

geschrieben von -ll-

Der Grundsatz der verbindlichen Begrenzung öffentlicher Schulden ist durch die vorangegangene globale Finanzmarktkrise, dann durch die Eurokrise in Schieflage geraten. Er verdient aber gestärkt zu werden, und er drängt sich auch für die Sozialversicherungssparte auf.

 

 

 

Die noch lange nicht ausgestandene Krise um den Euro hat mehrere Ursachen. Sie alle will der gigantische Rettungsplan von EU, Mitgliedsländer und Internationalem Währungsfond angehen, garantiert ist der Erfolg aber nicht. Klar ist einzig folgende Grundregel: Keine Währung kann stabil bleiben, wenn die öffentlichen Finanzen zerrüttet sind. Griechenland lieferte dazu eine besonders markante Illustration. Diese zeigt, dass der aufstrebende Euro sich selber gefährdet, wenn er – aus noch so achtbaren politischen Gründen – überschuldete Staaten einschliesst.

 

Missachtete Euro-Normen

 

Bei seiner Schaffung in den späten neunziger Jahren war der Euroraum konsequent auf gesunde Staatsfinanzen angelegt. Seine Mitglieder verpflichteten sich zu einem finanzpolitischen Verhalten, das Ähnlichkeiten zur Schuldenbremse hatte: Keinem Land sollten Budgetdefizite von über 3 % des Bruttoinlandprodukts und eine Verschuldung von über 60 % erlaubt sein. Solche Normen schienen umso gebieterischer, als ja die Finanzpolitik in der EU grösstenteils in der Verantwortung der Mitgliedstaaten bleibt. Deren budgetpolitische Disziplinierung war für einmal ein sinnvolles Harmonisierungsgebot. Doch mit der Aufnahme schwächerer Länder erhöhte die Währungsunion schon frühzeitig ihr Misserfolgsrisiko, und zudem liess sie grobfahrlässig Abweichungen von ihren eigenen Normen zu. Wohl sind solche Abweichungen in besonderen (konjunkturellen und anderen) Situationen vorgesehen, doch dass sie im Zeichen der weltweiten Finanzturbulenzen von 2007/08 eher zur Regel wurden, beschleunigte das Verhängnis der so genannten Griechenlandkrise.

 

Zur Rettung des Euro stellte man dann hohe, durch Griechenland abrufbare Geldsummen bereit. Das geschah allerdings nicht unbesehen, sondern wurde an die Bedingung eines strengen Sanierungsprogramms und seiner konsequenten Abwicklung gebunden. Potentiell gefährdete Länder wie Spanien, Italien und Portugal, aber auch Frankreich schwenkten auf die Strategie der Eindämmung öffentlicher Haushaltdefizite ein. Dasselbe tat übrigens mit einem rigorosen Sonderbudget die neue konservativ-liberale Regierung Grossbritanniens, das ja nicht der Eurozone abgehört, aber unter langjähriger Labour-Herrschaft nicht minder als manche Euroländer exorbitante Staatschulden angehäuft hat.

 

Grossbritannien zählt zu den EU-Staaten, die auch den „G-20“ angehören, jener globalen Gruppierung von massgeblichen Industrie- und Schwellenländern, die sich um die koordinierte Steuerung der Weltwirtschaft bemähen. Die jüngste G-20-Tagung in Kanada war insgesamt wenig ergiebig, forderte jedoch grundsätzlich den zügigen Abbaus staatlicher Haushaltdefizite. Die für die Industrieländer vereinbarte Norm, es seien bis 2013 die Fehlbeträge zu halbieren und bis 2016 die Schuldenquoten zu senken, gleicht einer Schuldenbremse.

 

Solide schweizerische Verfassungsgrundlage

 

Die schweizerische Schuldenbremse ist im Vergleich mit den Euro-Stabilitätsregeln und den G-20-Vorgaben politisch tragfähiger und vor allem rechtlich solid. Da sie Verfassungsrang hat, stützt sie sich auf den unmittelbaren Willen von Volk und Ständen. Sie wurde 2001 mit einem eindrücklichen Urnengang gutgeheissen und 2003 in Kraft gesetzt. Ihre Kernnorm verlangt den Ausgleich von Ausgaben und Einnahmen des Bundes im Verlauf eines Konjunkturzyklus. Ihre Wirkung blieb nicht aus. Auch in der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise wurden die Vorgaben trotz dem (zurückhaltend und schrittweise abgewickelten) konjunkturpolitischen Impulsprogramm nicht überschritten. Der soeben demissionierte FDP-Bundesrat Merz hat sie zudem 2009 auf alle ausserordentlichen Ausgaben ausgedehnt.

 

Nachhaltigkeit für Sozialversicherungen

 

Dennoch bleibt die strukturelle Stabilität der Bundesfinanzen längerfristig gefährdet. Gefahr droht von der steigender Belastung durch die Sozialversicherungen. Seit geraumer Zeit setzen sich denn auch bürgerliche Kräfte und Wirtschaftsverbände für eine zusätzliche sozialpolitische Schuldenbremse ein. Die Sozialversicherungen sollen Nachhaltigkeitsregeln unterstehen, die ihre dauerhafte Finanzierbarkeit gewährleisten. Die Eindämmung der Ausgabenüberschüsse der Sozialversicherungen soll die letzte, aber dafür umso grössere finanzpolitische Lücke der Schweiz schliessen. Das Thema ist keineswegs aus der Luft gegriffen: Gerade bei AHV, IV und Erwerbsersatzordnung einschliesslich Mutterschaftsversicherung drohen Defizite und der Trend zu immer neuen Forderungen der Linken ist ungebremst.

 

Die befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der IV stellt nur eine sehr begrenzte Übergangslösung des sozialpolitischen Gesamtproblems dar. Die befristeten Steuererhöhungen müssen durch eine umfassende Revision rasch kompensiert werden. Da braucht es Mut vom Parlament – die Unterstützung vom Volk bei der ausgeglichenen Revision der ALV Ende September stimmt positiv.

 

Eine sozialpolitische Schuldenbremse ist eine notwendige Ergänzung des finanzpolitische Konsolidierungsprogramms, das der Bundesrat diesen Vorsommer vorgelegt hat. Es geht jene langfristigen Probleme an, welche ohne Gegenmassnahmen zum Bankrott führen werden. Zügige Behandlung, Verabschiedung und Durchsetzung sowohl des Konsolidierungsprogramms als auch einer sozialpolitischen Schuldenbremse zwingend. Frühere Entlastungsprogramme stoppten übersteigertes Wachstum der Bundessschulden. Diese Erfolge verpflichten die FDP.Die Liberalen, auf diesem Weg voranzuschreiten. Widerstände von Links aber auch von Rechts sollen Antrieb statt Bremse sein, denn langfristig gute Haushaltspolitik wird bald zum wichtigsten Unterscheidungsmerkmal einer verantwortungsvollen Politik. Hier glaubwürdig zu sein, wird sich für unsere Politik als beste Investition auszahlen!