Ode ans Milizsystem

 

geschrieben von Petra Gössi, Nationalrätin SZ

Das Milizsystem hat in der Schweiz eine lange Tradition, die ursprünglich auf den Gedanken der Einheit von Bürger und Soldat zurückreicht. Montesquieu, Jean-Jacques Rousseau oder auch Immanuel Kant verlangten bereits die Bewaffnung des Volks und das Verbot eines stehenden Heeres. Das Milizsystem wurde von Anfang an auf die Politik ausgedehnt. Schon früh hatte ein Jungbürger den Eid abzulegen, dem Vaterland zu dienen, und so war es üblich, dass wichtige Staatsstellen nicht von fest angestellten Magistraten oder Beamten, sondern von Bürgern eingenommen wurden. Bis heute ist unser öffentliches Leben geprägt vom Gedanken, dass ein befähigter Bürger neben- oder ehrenamtlich öffentliche Ämter zu übernehmen hat. Schliesslich fand das Milizsystem auch Eingang in den privaten Bereich, da die durch die Freiheitsrechte garantierte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit immer auf freiwillige Mitarbeit angewiesen war. Vereinsaufgaben wurden ehrenamtlich übernommen, womit sich das Milizwesen mit der Zivilgesellschaft verband.

 

 

 

Das Milizsystem wird heute in der Politik vor allem von linker Seite arg strapaziert. Mit parlamentarischen Vorstössen wird versucht, das Parlament in ein vollamtliches Profigremium umzugestalten und die Entschädigung für die Parlamentarier zu erhöhen. Damit wird unsere Tradition torpediert, dass sich ein Schweizer Parlamentarier seinen Lebensunterhalt in der freien Marktwirtschaft erarbeiten soll. Dabei ist es ein nicht zu unterschätzender Vorteil, dass sich in einem Milizparlament Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen und beruflichen Erfahrungen treffen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass diese Vielfältigkeit zu weitreichenderen Visionen und zu reichhaltigeren Lösungen führt, als dies in einem Profiparlament möglich ist. Selbstverständlich bin ich mir bewusst, dass die Vereinigung eines Berufs- und eines Parlamentarierlebens ein grosses organisatorisches Geschick und vor allem sehr grosses Verständnis des Arbeitgebers, der Mitarbeiter und der Familie erfordert. Im heutigen Umfeld, in dem die Mitmenschlichkeit oft einem gewinnmaximierten Denken untergeordnet wird, ist es keine Selbstverständlichkeit mehr, dass einem Arbeitnehmer das Ergreifen einer nebenamtlichen politischen Tätigkeit oder einer ehrenamtlichen Vereinsarbeit ermöglicht wird. Deshalb gebührt allen Arbeitgebern und Unternehmern, die ihren Mitarbeitern diese Freiheit einräumen, grosser Dank. Aber nur, weil wir diesbezüglich vor einer Herausforderung stehen, heisst dies noch lange nicht, dass sich das seit langem bewährte System überlebt hat.

 

Die Forderung nach einem Profiparlament sendet zudem ein falsches Signal an alle aus, die sich ehrenamtlich in einem Verein engagieren oder die sich in irgendeiner Art für öffentliche Interessen einsetzen. Denn auch diese Arbeit braucht Zeit und ist eine Herausforderung an das Organisationsgeschick ganzer Familien, und dennoch wird sie in unzähligen unbezahlten Stunden gerne geleistet. Unsere tiefe Staatsquote kann nur dank diesem grossen freiwilligen Einsatz aufrecht erhalten bleiben.

 

Die Befürworter eines Profiparlaments befürchten, nebenamtliche Tätigkeit verleite dazu, möglichst viele Mandate anzunehmen. Diesem berechtigten Einwand ist nur mit Transparenz beizukommen. Schlussendlich wird sich jeder Politiker gegenüber seinen Wählern verantworten und erklären müssen, wenn er sich in unzähligen Interessenbindungen verstrickt und sich damit dem Vorwurf aussetzt, nicht mehr unabhängig und damit nicht mehr im Interesse seiner Wähler zu agieren.

 

Die Forderung nach einer Erhöhung der Entschädigung für nebenamtliche Parlamentarier dient den Befürwortern ebenfalls dazu, in Salamitaktik auf ein Profiparlament hinzuarbeiten. Jeder Kandidat, der sich der Wahl stellt, kennt die Rahmenbedingungen des Amts. Wer damit nicht einverstanden ist, muss sich einer Wahl nicht stellen. Ein Nationalrat verdient inklusive aller Nebenleistungen im Jahr rund CHF 130‘000. Das ist für ein Nebenamt genug, auch wenn die mit dem Amt einhergehenden Spesen und Investitionen hoch sind.