Liebe Genossinnen und Genossen

 

geschrieben von Philipp Müller, Nationalrat und Parteipräsident FDP.Die Liberalen

20110107

An eurem Parteitag habt ihr der Schweiz ein Rezept gegen den starken Franken präsentiert. Bei genauem Hinsehen wird rasch klar: Wird das Menü nach diesen Vorgaben gekocht, gibt's einen faden Eintopf ohne jeglichen Nährwert. In Anbetracht der gewählten Zutaten erstaunt das nicht. Dermassen viel Gleichmacherei verdirbt zwangsläufig den Brei! Und die an eurem Parteitag präsentierten zehn Punkte – unter anderem ein ausgebauter Kündigungsschutz und eine Börsensteuer – verderben das Gericht endgültig. Wer von eurem Eintopf isst, wird nicht satt, sondern krank.

 

 

 

Wenn ihr das nicht glaubt, schaut in gewisse EU-Staaten: Dort haben eure Rezepte zu Massenarbeitslosigkeit und Überschuldung geführt. Ihr hättet euch besser mit unserem 18-Punkte-Programm befasst, anstatt dieses durch die sozialistische Brille zu betrachten und zu kritisieren.

 

Vier eurer Zutaten sind besonders schädlich: Erstens verlangt ihr, dass der Gewinn der Schweizerischen Nationalbank SNB hälftig für die Stärkung der Arbeitslosenversicherung und für Weiterbildungsprogramme bei Kurzarbeit eingesetzt werden soll. Die zweite Hälfte soll vorwiegend dem Bildungsbereich zugutekommen. Im Klartext bedeutet dies, dass ihr das Geld der SNB verjubeln wollt.

 

Zweitens sprecht ihr euch gegen eine Flexibilisierungen der Arbeitszeiten aus. Auch diese Zutaten schmecken bitter, denn nur ein flexibler und liberaler Arbeitsmarkt kann Entlassungen verhindern. Löhne und Arbeitszeiten sind Sache der Sozialpartner. Die Politik hat nur die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu setzen und zu verbessern.

 

Drittens wollt Ihr, dass Hersteller und Detailhändler Währungsgewinne an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben. Gut gemeint, aber am Ziel vorbei. Währungsgewinne müssen weitergegeben werden, jedoch ohne den Unternehmen ein gesetzliches Korsett anzulegen. Stattdessen müssen technische Handelshemmnisse abgeschafft werden, damit der Import vereinfacht wird.

 

Viertens fordert Ihr, die SNB müsse möglichst rasch einen Kurs zum Euro von mindestens 1.15 Franken erreichen, mittelfristiges Ziel sei 1.35 bis 1.40. Das ist absurd. Seit wann betreibt die Politik das Geschäft der SNB? Die Unabhängigkeit der SNB infrage zu stellen, ist brandgefährlich und ein Angriff auf eine zentrale Institution unseres Landes.

 

Eure Forderungen sind jene sozialistischen Rezepte, die schon mehrfach auf der Welt versagt haben. Warum nur wollt ihr diese auch noch in der Schweiz ausprobieren? Um wirklich sicher zu sein, dass sie nichts taugen?

 

Erlaubt mir noch ein paar Worte zu eurem Parteipräsidenten. Er wirft der FDP vor, mit den veralteten Methoden von Margaret Thatcher die Wirtschaft stützen zu wollen. Dabei sollte er eigentlich wissen, dass Thatcher ihr Land nach Jahren sozialistischer Misswirtschaft vor dem Staatsbankrott gerettet hat. Ich habe Ende der 1970er Jahre zwar nicht in England studiert, dafür aber dort gearbeitet. Es gab keinen Tag ohne Stromunterbrüche, keine Woche ohne Streiks, weil die Gewerkschaften das Land skrupellos erpressten. Das Pfund ging auf Talfahrt, die Inflation wurde zweistellig, das einst stolze Britannien geriet unter die Fittiche des Internationalen Währungsfonds; bis Thatcher dem sozialistischen Spuk ein Ende bereitete.

 

Liebe Genossinnen und Genossen: Wir wissen, dass ihr von der erfolgreichen freien Marktwirtschaft in der Schweiz nichts haltet. Klar ist aber: Geht es der Wirtschaft schlecht, leidet die Gesellschaft. In eurem eigenen Interesse solltet ihr mithelfen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Wirtschaft genügend Spielraum hat. Auch die freisinnige Erfindung der Schuldenbremse, die unser Land vor einem Schuldenberg bewahrt hat, scheint euch wenig zu interessieren. Überdenkt euer Rezept nochmal. Wir schlagen vor, dass ihr wesentliche Zutaten ändert oder einen neuen Koch einstellt.