Geht wählen!

Ein Gastbeitrag von Claude Longchamp, Politikwissenschaftler

Dies ist kein geläufiger Aufruf zur Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten. Es ist eine Analyse wahlentscheidender Faktoren.

„Get out the vote!“ ist bei US-Präsidentschaftswahlen ein vorherrschender Slogan. Mit gutem Grund, liegt doch die Wahlbeteiligung meist unter 60 Prozent. Das hat die Auffassung geschärft, dass nicht die Wählenden in der Mitte über Sieg und Niederlage entscheiden. Vielmehr sind es all jene, für die klar wäre, wen sie wählen würden, wenn sie nur ihre Stimme abgäben.

Wechselwählende, vor allem aber gelegentlich Wählende ansprechen

Das ist in der Schweiz mit nationalen Wahlbeteiligungen von knapp 50 Prozent nicht weniger so! Zwar gibt es auch hierzulande schwankende Wählende, etwa zwischen der SVP und der FDP oder der FDP und der GLP. Doch bleibt ihre Zahl letztlich beschränkt. Dafür hebt die Wahlforschung seit 2007 die unausgeschöpften Potenziale bei den gelegentlich Wählenden hervor.

In Zahlen: 40 Prozent der Wahlberechtigten beteiligen sich bei eidgenössischen Parlamentswahlen auf jeden Fall. Wenn am Ende 50 Prozent teilnehmen, kommt auf vier sicher Wählende ein oder eine zusätzlich Wählender oder Wählende hinzu. Und um den oder die geht es!

Der neue liberale Pol

Bei Volksabstimmungen der jüngsten Zeit war das liberale Zentrum rund um die FDP erfolgreich wie noch nie. Man kann von einem neu erwachten liberalen Pol in der Schweizer Bürgerschaft sprechen.

Wahlen sind jedoch noch anspruchsvoller als Abstimmungen. Der Bundesrat schweigt weitgehend. Die Konkurrenz unter den Parteien ist größer. Verbände bleiben zurückhaltender. Und Massenmedien sind gegenüber allen Akteuren kritischer.

Deshalb braucht es mehr Anstrengungen, Wahlen zu gewinnen, als Abstimmungssiege zu erringen.

Moderne Mobilisierungskampagnen

Moderne Mobilisierungskampagnen vor Wahlen zielen nicht auf grob umschriebene gesellschaftliche Gruppen wie „das Bürgertum“, die man mit Massenwerbung anzusprechen habe. Vielmehr setzen sie auf die zahllosen Netzwerke zwischen Menschen, die sich aus Wirtschaft, Gesellschaft und Alltag kennen oder kennen müssten und so zur unmittelbaren Meinungsbildung beitragen oder beitragen könnten

Allen Versprechungen von Big Data und Internet zum Trotz bringt nur die personalisierte Ansprache den für Wahlerfolge nötigen Schub: der direkte Kontakt zu Mitmenschen, die persönlich adressierte Post im Bekanntenkreis und „door-to-door“-Kampagnen sind die Gebote der Stunde!

Identifikationsmöglichkeiten schaffen

Heute dreht sich alles um Identifikation: die Identifikation mit den Kandidierenden vor Ort; die Identifikation mit den Parteiexponenten an der Spitze; und die Identifikation mit den Kernpunkten des aktuellen politischen Programms!

Man will mehr denn je wissen, wen und was man wählt. Abertausende veränderter Wahlzettel mit persönlichen Vorlieben zeugen von der weit fortgeschrittenen Individualisierung der Wählerschaft - besonders in der Nähe des politischen Zentrums.

Multiplikatoren bewegen die Wählerschaft

Die FDP Schweiz rechnet 2019 mit den Stimmen von rund einer halben Million Bürgerinnen und Bürger. Das geht nicht alleine durch eine kluge Strategie der Parteizentralen. Es braucht möglichst viele engagierte Mitglieder und motivierte Sympathisierende, die mitziehen. 

Ich schätze, für die FDP sind in den kommenden Wochen etwa 5000 Partei-Multiplikatoren nötig. Sie zu motivieren, ist jetzt angesagt! Denn sie wirken in ihren Netzwerken. Und das wiederum mobilisiert vorhandene Parteipotenziale am zielsichersten. 

Damit gilt: Geht wählen!