Eckpunkte einer liberalen Politik für das 21. Jahrhundert

 

geschrieben von Gabi Huber, Präsidentin FDP-Liberale Fraktion

In der Schweiz wurden die liberalen Prinzipien mit der Bundesverfassung von 1848 zur Staatsdoktrin, der erste Bundesrat setzte sich aus sieben Freisinnigen zusammen. Die freisinnig-liberalen Kräfte waren so stark, weil sie Antworten auf die wichtigen Fragen der damaligen Zeit hatten: Freiheit, Selbstverantwortung und Gerechtigkeit. Diese Grundwerte waren im 19. Jahrhundert aktuell und sind es noch heute. Wir haben die Tendenz, sie als selbstverständlich zu betrachten – aber sie sind es nicht! Sie müssen immer wieder erkämpft und vor allem eingebracht werden.

 

 

 

Heute erleben wir eine weltweite Verflechtung in allen Bereichen. Der technologische Fortschritt führt zu einer Verdichtung der globalen Beziehungen auf allen Ebenen, vom Individuum bis zum Staat. Druck von aussen und schwindender innerer Zusammenhalt gefährden aber die historisch gewachsenen Kompromisse. Liberale Politik darf sich darum nicht nur in der Theorie auf die liberalen Werte besinnen, sondern muss die liberalen Werte leben. Es ist die Aufgabe jedes liberalen Politikers, bei der politischen Konsensfindung mit Mut und Verstand ein liberales Menschen- und Gesellschaftsbild einzubringen und zu vertreten.

 

Realistische Lösungen sind häufig Kompromisslösungen, sie sind darum aber nicht im Vornherein zweitklassig. Auf dem Weg zu diesen Lösungen werden Liberale nämlich mit Widerstand von Populisten, Gutmenschen und Einzelinteressenvertretern konfrontiert. Deshalb sind Reformen schwierig. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist eine liberale Partei zwingend eine Reformpartei. Denn Liberalismus ist von Grund auf eine optimistische Weltanschauung: Liberale glauben an die Möglichkeit, in einer komplexen Welt vernünftige Lösungen zu finden und haben daher keine Angst vor Forschung oder Fortschritt durch die wirtschaftliche Globalisierung. Liberale haben den Mut zur Chance, anstatt sich mit Risiken herauszureden.


Gerechtigkeit heisst nicht gleichmachen, sondern Chancen schaffen

 

Rechtsstaatliche Grundsätze wie die Gleichheit vor dem Gesetz, die Unabhängigkeit der Gerichte oder die Rechtsweggarantie gewähren Gerechtigkeit im engeren Sinne. Die liberale Forderung nach weniger Staat ist denn auch nicht als Absage an den Rechtsstaat zu verstehen. Vielmehr ist die Sorge um die Institutionen sogar die wichtigste Aufgabe einer Partei liberaler Gesinnung: Ein Liberaler will keine übermässige Ausweitung der Staatsaufgaben, weil er auf das Individuum und dessen Intelligenz vertraut.

 

Heute wird vor allem über die Gerechtigkeit von Verteilungen gestritten, also darum, wer gerechterweise wie viel vom Kuchen abbekommt. Der Ruf nach Gerechtigkeit ist zu einem Ruf nach dem Staat geworden, mehr materielle Güter zu verteilen. Für Liberale ist jedoch eine andere Art von Gerechtigkeit zentral: Gerechtigkeit sollte sich nur auf Regeln und Ordnungen, nicht aber auf die Ergebnisse der Handlungen beziehen, die unter diesen Regeln ablaufen. Das Ziel der Gleichmacherei durch staatliche Umverteilung ist zutiefst ungerecht. Es nimmt den Menschen Chancen, es bestraft die Fleissigen und belohnt Trittbrettfahrer. Wirklich gerecht ist dagegen eine Ordnung, die den Menschen die Möglichkeit gibt, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.

 

Liberale Eckpunkte: Freiheit, Selbstverantwortung, Gerechtigkeit

 

Die Eckpunkte einer liberalen Politik müssen also auch im 21. Jahrhundert die Werte Freiheit, Selbstverantwortung und Gerechtigkeit sein. Diese Werte müssen im politischen Entscheidungsfindungsprozess couragiert vertreten und eingebracht werden – selbst oder erst recht im Wissen darum, dass das Resultat ein Kompromiss mit unterschiedlich hohem liberalem Gehalt sein wird. Denn Liberale suchen unermüdlich nach besseren und gerechteren Lösungen für alle Lebensbereiche.