Die Beihilferegeln im Institutionellen Abkommen

In letzter Zeit hat sich die Debatte im Rahmen der Konsultation zum Institutionellen Abkommen (InstA) zunehmend auf die staatlichen Bei-hilferegelungen verlagert. Sie scheinen den Kritikern des InstA als willkommenes Argument gegen das Abkommen zu dienen.

Die Bestimmungen zu den staatlichen Beihilfen sind im InstA in den Artikeln 8A, 8B und 8C zusammengefasst. Weiter relevant ist in diesem Zusammenhang der Entwurf für einen Beschluss des Gemischten Ausschusses des Freihandelsabkommens 72, wie er dem InstA angehängt ist.

Die Beihilferegelungen im Abkommen selbst

Im Artikel 8 des InstA sind lediglich Beihilfe-Grundsätze festgeschrieben. Diese geben den Rahmen vor für die Beihilferegelung in konkreten Marktzugangsabkommen, die durch das InstA abgedeckt werden. Solange diese Grundsätze nicht in zukünftigen, konkreten Marktzugangsabkommen übernommen und allenfalls ergänzt werden, sind sie nicht direkt anwendbar, also nicht justiziabel bzw. einklagbar.

Unter das InstA fallen fünf Marktzugangsabkommen aus dem Paket der Bilateralen I. Es sind dies das Freizügigkeitsabkommen, das Landwirtschaftsabkommen, das Abkommen über die Technischen Handelshemmnisse, sowie das Land- und das Luftverkehrsabkommen. Nur im Luftverkehrsabkommen gibt es überhaupt Beihilferegeln, d.h. nur in diesem finden die Beihilfe-Grundsätze des InstA Anwendung. Die materiellen Beihilfebestimmungen des Luftverkehrsabkommens stimmen je-doch bereits mit den Beihilfe-Grundsätzen im InstA überein, weshalb auch dort keine Konsequenzen für die Praxis zu erwarten sind. Unter dem Strich haben die Beihilferegelungen des InstA also keine praktischen Auswirkungen auf die bestehenden Marktzugangsabkommen.

Bei künftigen Marktzugangsabkommen – zum Beispiel bei einem Stromabkommen – sind die materiellen Beihilferegeln auf Basis der Grundsätze des InstA auszuhandeln. So würden sie im betroffenen Bereich - und nur dort - justiziabel. Sollten wir ein solches Abkommen inskünftig abschliessen, obliegt es der Schweiz darüber zu entscheiden, ob sie die entsprechenden Beihilferegeln akzeptieren will oder ob das Abkommen abgelehnt werden soll. Auf die bestehenden Verträge hat dies keinen Einfluss.

Das immer wieder gehörte Argument, wonach Kantonalbanken, Gebäudeversicherungen, der Tourismusbereich und gar die kantonale Steuerhoheit unter die Beihilferegeln fallen, ist falsch. In all diesen Bereichen gibt es keine Marktzugangsabkommmen mit der EU. Die Beihilferegeln des InstA kommen also nicht zur Anwendung.

Die Beihilfen und das Freihandelsabkommen 72

Der dem InstA angehängte Beschlussentwurf des Gemischten Ausschusses des FHA 72 (GA FHA 72) hat ebenfalls zu den wildesten Spekulationen über die Beihilferegelungen geführt. Beim FHA 72 hat sich die Schweiz in den Verhandlungen aber mit der Forderung durchgesetzt, dass dieses nicht unter das InstA fällt. Somit sind auch die Regelungen über die staatlichen Beihilfen auf das FHA 72 nicht anwendbar.

Ein Erwägungsgrund in der Präambel dieses Beschlussentwurfs des GA FHA 72 hält fest, dass die allgemein formulierten Beihilfebestimmungen des FHA 72 (Art. 23 Abs. 1 Ziffer iii) in Zukunft im Ein-klang mit den materiellen Beihilfebestimmungen des InstA auszulegen sind. Dieser Beschlussentwurf bildet aber nicht Bestandteil des InstA und wird erst Geltung erlangen, wenn er vom GA FHA 72 effektiv so verabschiedet wird, was das Einverständnis der EU und der Schweiz erfordert.
Sollte der Beschlussentwurf verabschiedet werden, wären die Beihilfebestimmung des FHA 72 auch weiterhin nicht direkt anwendbar und damit nicht justiziabel.

Allfällige Meinungsverschiedenheiten dazu müssten also weiterhin im GA FHA 72 entschieden werden. Dort sind die Schweiz und die EU gleichberechtigt vertreten und Entscheidungen werden auf der Grundlage des Einstimmigkeitsprinzips gefällt. Die Schweiz hat also jederzeit ein Vetorecht, falls ihr ein Entscheid missfällt.

Eine allfällige Auslegung durch das Schiedsgericht des InstA - unter allfälligem Einbezug des EuGH mit Bezug auf die Frage der Auslegung von EU-Recht - könnte nur erfolgen, wenn dies beide Partei-en in einem konkreten Streitfall einvernehmlich - nach dem Einstimmigkeitsprinzip - beschliessen würden.

Keine Rückwirkung von neuen Beihilferegeln

Eine Rückwirkung des Beschlussentwurfs des GA FHA 72 ist ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus Artikel 28 der Wiener Vertragsrechtskonvention mit dem Grundsatz der Nichtrückwirkung von Ver-trägen. Zusätzlich aber auch aus dem Wortlaut des Erwägungsgrunds Nr. 4 im Beschlussentwurf, der explizit von «fortan» spricht.

Die Gutachten

Kritischer zu dieser Thematik geäussert hat sich in einem Gutachten Dr. Philipp Zurkinden der Prager Dreifuss Rechtsanwälte AG.

Und dann wird’s etwas verwirrlich. Es gibt ein weiteres, allerdings gegenteiliges Gutachten von Dr. Marino Baldi, Senior Counsel, ebenfalls bei derselben Prager Dreifuss Rechtsanwälte AG. Zudem ist Herr Baldi Lehrbeauftragter für Europarecht an der Universität Zürich. Er kommt zum Schluss, dass die Umsetzung der Beihilferegelungen im FHA 72 auch inskünftig dem GA FHA 72 obliegen würde. Also Einstimmigkeit mit Vetorecht der Schweiz!
 


Dieser Beitrag erschien auch in der Aargauer Zeitung: Zum Artikel.
 

Philipp Müller