Unliberale und nutzlose Verbote religiöser Symbole und deren mögliche Ursachen

 

Kurt Fluri, Stadtpräsident und Nationalrat FDP, Solothurn

 

Das Ergebnis der Abstimmung vom 29. November 2009 mit dem Verbot von Minaretten ist selbstverständlich ein demokratischer Entscheid, den es ohne Wenn und Aber zu respektieren gilt. Das darf uns aber nicht daran hindern, aus liberaler Sicht ein derartiges Verbot als falsch und aus realpolitischen Gründen als sinnlos zu betrachten. Aus liberaler Sicht deshalb, weil Einschränkungen bei der Ausübung der Religionsfreiheit, welche ihrerseits niemanden in den eigenen Grundrechten beschränkt, zutiefst unliberal sind. Und realpolitisch sinnlos deshalb, weil mit einem Verbot von Teilen eines Bauwerkes unmöglich unerwünschte extremistische Tendenzen einer Religion bekämpft oder gar verhindert werden können.

 

 

 

Leider ist damit zu rechnen, dass nun auch ein Burkaverbot reelle Chancen hat, im Volk eine Mehrheit zu finden. Die Tatsache, dass es sich dabei in Anbetracht der absolut vernachlässigbaren Anzahl der Burkaträgerinnen eher um ein Phantom als um ein effektiv auftretendes Phänomen handelt, tut dabei offensichtlich nichts zur Sache. Eher das Gegenteil ist der Fall, bedenkt man, dass die Minarettverbotsinitiative dort auf eine um so bessere Resonanz gefallen ist, wo die Berührungspunkte mit dem Islam am geringsten sind, nämlich in den ländlichen Gegenden. Offensichtlich also lassen konkrete Erfahrungen mit den Muslimen die Angst vor einer „Islamisierung“ eher vermindern als anheizen.

 

Beurteilen wir nun die angebliche „Islamisierung“ nüchtern, so sehen wir beispielsweise, dass mit Ausnahme einiger Extremisten kein Mensch in unserem Land von der Einführung des islamischen Rechts, der Scharia, und damit von der Förderung einer Parallelgesellschaft spricht. Die Verhinderung von Zwangsehen oder der sexuellen Verstümmelung von Mädchen werden gesetzlich geregelt – die Vorarbeiten hierzu sind gemacht. Und gerade kürzlich hat das Bundesgericht entschieden, dass es auch für streng islamisch erzogene Mädchen keinen Grund gibt, dem Schwimmunterricht fernzubleiben. Auch das Tragen eines Kopftuches oder der Burka hat, wenigsten rational betrachtet, in unserem Lande bisher noch zu keinen nennenswerten Problemen geführt. Muezzine können auch ohne Minarettverbot verhindert werden. Islamische „Hassprediger“ können an der Einreise gehindert oder des Landes verwiesen werden. Die von uns geforderte schnelle Überarbeitung des Bundesgesetzes über die Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) wäre übrigens eine Voraussetzung, derartige religiöse Extremisten noch besser überwachen und neutralisieren zu können.

 

Nachdem aber eine angebliche islamische Bedrohung offensichtlich als Kristallisationspunkt eines verbreiteten Unsicherheitsgefühls dient, die intolerante Behandlung des Christentums in gewissen Ländern in den Vordergrund gestellt und nun unsererseits durch Intoleranz beantwortet wird, drängt sich die Frage auf, ob diese Abwehrhaltung vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass wir uns unserer in diesem Zusammenhang so oft beschworenen christlichen, abendländischen Weltanschauung doch nicht so sicher sind. Es liegt nun an unserer Gesellschaft, die jetzt so sehr betonten Werte zu verteidigen und zu leben. Wenn wir wieder ein neues, auf diese Werte gestütztes Selbstvertrauen entwickelt haben, so wird es auch keine Frage sein, dass solche unliberale und sinnlose Verbote kein Thema mehr sein werden. Auch der Jesuitenartikel oder das Verbot, neue Bistümer zu gründen, wurden praktisch stillschweigend, aber eben erst dann aus der Verfassung entfernt, als sie nicht mehr als notwendig erachtet wurden. Ziel muss es deshalb sein, aufgrund eigener Überzeugung von unseren westlichen Werten derartige Verbote von Symbolen anderer Wertordnungen überflüssig werden zu lassen.